Testfahrten verbessern die Sicht auf E‑Mobilität
Besuch zu bekommen ist fast immer schön. Besonders trifft dies dann zu, wenn man sich in Berlin befindet und der Besuch aus der „Heimat“ kommt und noch dazu interessante Inputs zu Verkehrsthemen liefert. Im konkreten Fall präsentierten Studierende der Dualen Hochschule Stuttgart (DHBW) Forschungsergebnisse zu Elektromobilität auf der Straße.
In Zusammenarbeit mit dem Zentrum für empirische Forschung (ZEF) der Dualen Hochschule haben Studierende der Fakultät Wirtschaft im Bereich Marktforschung ein empirisches Forschungsprojekt zum Thema „E‑Mobility – ein Kulturvergleich“ erarbeitet. Ergänzt wurde dieses durch Langstrecken-Versuche mit E‑Autos.
Zunächst zum Langstrecken-Versuch: Zwei Gruppen von Studierenden fuhren mit E‑Autos die Strecke von Stuttgart in die Niederlande bzw. nach Kopenhagen. Die Erlebnisse in Kürze: Die im Internet recherchierten Ladesäulen waren nicht immer brauchbar (defekt, gesperrt, nicht mit dem Fahrzeug kompatibel, nicht nutzbares Bezahlsystem oder durch parkende Fahrzeuge blockiert). Einmal ließ sich der Stecker nach dem Ladevorgang nicht mehr vom Fahrzeug lösen. Außerdem befinden sich viele Ladesäulen weitab der Autobahnen. Das Fazit der Studierenden: Reisen mit E‑Autos müsse präzise vorbereitet werden und sind störanfällig. Das Fahren an sich wird aber als entspannt und positiv wahrgenommen.
Zum empirischen Forschungsprojekt, das in zwei Teile gegliedert ist: Das erste Projekt thematisiert die „Wahrnehmung von Leistungsdimensionen der Elektromobilität in unterschiedlichen Kulturgruppen“ und das zweite Projekt die „Wahrnehmung von und Einstellung zur Elektromobilität in unterschiedlichen Kulturgruppen“. Die verschiedenen Kulturgruppen waren US-Amerikaner, Chinesen und Deutsche. Die Studien führten zu interessanten Ergebnissen. In diesem komprimierenden Bericht werden die Ergebnisse der deutschen Gruppe erläutert.
Das erste Projekt besteht wiederum aus zwei einzelnen Studien, wobei die Teilnehmer der ersten Studie eine Testfahrt in einem Elektro-Auto gemacht haben. Vor und nach der Testfahrt haben die Probanden einen Fragebogen ausgefüllt. Grundsätzlich wurde dabei festgestellt, dass die Meinung über Elektroautos nach der Testfahrt deutlich positiver war als vor der Testfahrt. Vor der Testfahrt kreuzten beispielsweise 28 % der Teilnehmer an, dass sie bereit wären, ein Elektrofahrzeug zu kaufen. Nach der Testfahrt waren es 41 %.
Auch die Sicherheit, das Image, der Komfort und der technische Stand wurden nach der Testfahrt besser bewertet als vorher. Besonders auffällig ist, dass der Fahrspaß unterschätzt wurde. Vor der Testfahrt gab es für dieses Kriterium von ca. 25 % der Probanden die volle Punktzahl und nach der Testfahrt von fast 60 %. Außerdem hat die Beurteilung der Leistung der E‑Fahrzeuge deutlich zugenommen. Vor der Fahrt gaben weniger als ein Viertel der Teilnehmer für dieses Kriterium die volle Punktzahl, während es nachher über die Hälfte war.
Eher negativ beurteilt wurde die Reichweite. Diese finden mehrere Teilnehmer noch zu gering und auch die Testfahrt konnte ihre Meinung nicht ändern. Außerdem wird die Nachhaltigkeit insgesamt zum Teil kritisch gesehen. Besonders die deutsche Gruppe hält Elektroautos nicht grundsätzlich für uneingeschränkt umweltfreundlich. Bei der Bewertung für Umweltverträglichkeit spielen für die Deutschen auch der Produktionsprozess und die verwendeten Materialien eine Rolle. Und natürlich muss auch der Strom aus erneuerbaren Quellen produziert werden.
Die Studie mit den Testfahrten wurde ergänzt durch eine Online-Studie, weil dabei eine viel größere Anzahl an Teilnehmern möglich ist. Dabei fällt auf, dass die Nachhaltigkeit besonders älteren Menschen wichtig ist. Die Reichweite von Elektroautos wird auch bei der Online-Studie häufig negativ eingeschätzt. Als wichtigstes Kriterium für den Kauf eines Autos werden die laufenden Gesamtkosten identifiziert. Möglicherweise sind dabei viele Menschen mangels Erfahrung bei einem Elektroauto noch skeptisch.
Bei dem zweiten Projekt haben die Testpersonen ebenfalls Testfahrten durchgeführt. Dabei wurde die Eyetracking Technologie angewendet. D. h. während der Fahrten wurden bei den Personen die Blickbewegungen aufgezeichnet und analysiert.
Diese Studie ergab, ebenso wie die erste Studie, dass die Reichweite ein Schwachpunkt der E‑Autos darstellt. Außerdem wurden Ladezeit und Kosten eher negativ beurteilt. Grundsätzlich zeigt die Studie aber, dass die Einstellung zu Elektrofahrzeugen durchaus sehr positiv ist.
Insgesamt zeigen die Studien, dass durch eine bessere Vermarktung und bessere Kommunikation voraussichtlich mehr E‑Autos verkauft werden können. Eine Testfahrt nimmt in der Regel einen positiven Einfluss auf die Kaufentscheidung, weil die meisten Erwartungen übertroffen werden.