Stuttgart 21: Aus einem verspäteten Zug werden sechs verspätete Züge

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Der Gleis­be­le­gungs­plan bil­det den drit­ten Ziel­fahr­plan des Deutsch­land­tak­tes ab und damit ein län­ger­fris­tig ange­leg­tes Ziel. Es han­delt sich nicht um den Inbe­trieb­nah­me­fahr­plan. Die­ser liegt noch nicht vor. Legen­de: Züge auf der Linie bele­gen den gesam­ten Bahn­steig, Züge dar­über oder dar­un­ter nur eine Hälf­te. Die Abbil­dung ist nur ein Aus­schnitt des gesam­ten Bele­gungs­plans.

09.04.2021

Gleisbelegungsplan zeigt Schwachstellen auf

Der Gleis­be­le­gungs­plan für den neu­en Tief­bahn­hof von Stutt­gart 21 auf Basis des 3. Ziel­fahr­plans für den Deutsch­land­takt zeigt, was schon lan­ge befürch­tet wor­den war: Es geht eng zu, jede Ver­spä­tung zieht wei­te­re Ver­spä­tun­gen nach sich und es gibt kei­ne Kapa­zi­tä­ten für zusätz­li­che Bahn­an­ge­bo­te.

Auf mei­ne Anfor­de­rung nach dem Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz wur­de mir von der Bun­des­re­gie­rung der zukünf­ti­ge Gleis­be­le­gungs­plan des Stutt­gart 21-Tief­bahn­hofs aus­ge­hän­digt. Die­ser wur­de für den Deutsch­land­takt erstellt und bil­det einen Aus­schnitt aus dem drit­ten Ziel­fahr­plan des Deutsch­land­takts ab. Im Regio­nal­ver­kehr ist das geplan­te Ange­bot des Lan­des Baden-Würt­tem­berg hin­ter­legt.

Ins­ge­samt ergibt sich ein bereits kurz nach der Eröff­nung hoch aus­ge­las­te­ter Bahn­hof. Die Gleis­be­le­gung ist sehr dicht. Es sind pro Tag nach aktu­el­lem Stand 102 Dop­pel­be­le­gun­gen vor­ge­se­hen. Um die Anfäl­lig­keit für Ver­spä­tun­gen zu unter­su­chen, wur­den von den Ver­kehrs­in­ge­nieu­ren mei­nes Büros eini­ge bei­spiel­haf­te Ver­spä­tun­gen simu­liert und die dar­aus fol­gen­den Aus­wir­kun­gen unter­sucht. Dabei wur­den ver­ein­fach­te Annah­men bezüg­lich der Hal­te­zei­ten und der Zug­fol­ge­zei­ten getrof­fen.

In einem Bei­spiel bewirkt ein Fern­ver­kehrs­zug mit fünf Minu­ten Ver­spä­tung Fol­ge­ver­spä­tun­gen für fünf wei­te­re Züge und ins­ge­samt zwei Ver­le­gun­gen des Abfahrts­glei­ses. Dies zeigt deut­lich, dass der neue Bahn­hof bereits zu Beginn an der Ober­gren­ze sei­ner Leis­tungs­fä­hig­keit ope­riert. Inner­halb von zwei Stun­den ver­keh­ren 110 Züge in dem Bahn­hof. Dies ist bereits am obe­ren Ende der berech­ne­ten Leis­tungs­fä­hig­keit für den Tief­bahn­hof – beim dama­li­gen Stress­test wur­den 49 Züge pro Stun­de, also 98 pro zwei Stun­den ange­setzt.[1]

Auch die Zuläu­fe sind kri­ti­sche Eng­päs­se für den neu­en Kno­ten Stutt­gart. Zum Teil ist die Zug­fol­ge über lan­ge Stre­cken sehr dicht – bei­spiels­wei­se drei Zug­paa­re inner­halb von vier Minu­ten zwi­schen Bie­tig­heim und Stutt­gart. Auf­grund der sehr engen Tak­tung füh­ren die­se Abschnit­te sehr schnell zur Über­tra­gung von Ver­spä­tun­gen bei der Ver­spä­tung ein­zel­ner Züge.

Lösung: Eine Ergän­zungs­sta­ti­on

Da der Stutt­gar­ter Bahn­hof für die nächs­ten 60 Jah­re und län­ger die Kapa­zi­tä­ten für einen wach­sen­den Bahn­ver­kehr stel­len muss, for­dern wir Grü­ne schon län­ger den Bau einer zusätz­li­chen Ergän­zungs­sta­ti­on. Allein durch die Ver­la­ge­rung eini­ger Züge in einen sechs­glei­si­gen zusätz­li­chen Kopf­bahn­hof mit Aus­fahr­mög­lich­kei­ten nach Feu­er­bach, Bad Cannstatt und die Pan­ora­m­abahn kann der Durch­gangs­bahn­hof mas­siv ent­las­tet wer­den. Zudem ent­steht so die Kapa­zi­tät für zusätz­li­che Züge, bei­spiels­wei­se einer Regio­nal­bahn­li­nie aus Horb, die nach den aktu­el­len Plä­nen auf­grund der feh­len­den Kapa­zi­tä­ten im Stutt­gar­ter Tief­bahn­hof in Stutt­gart-Vai­hin­gen enden muss. Bei allen durch­ge­führ­ten Ver­spä­tungs­bei­spie­len konn­ten die Aus­wir­kun­gen der Ver­spä­tun­gen mas­siv redu­ziert wer­den. Im Sin­ne eines qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen, pünkt­li­chen Bahn­ver­kehrs und unter dem Aspekt der zukünf­ti­gen Aus­wei­tung von Tak­tun­gen im Nah- und Fern­ver­kehr wird deut­lich, dass Stutt­gart drin­gend eine Ergän­zungs­sta­ti­on benö­tigt.

Not­fall­kon­zept für S‑Bahn auf Ergän­zungs­sta­ti­on ange­wie­sen

Ein wei­te­rer Aspekt ist das aktu­ell feh­len­de Not­fall­kon­zept für die S‑Bahn. Ein Tief­bahn­hof ohne Ergän­zungs­sta­ti­on hat kei­ner­lei Kapa­zi­tä­ten, um zusätz­li­che S‑Bahnen auf­zu­neh­men. Bei Stö­run­gen der Stamm­stre­cke könn­te der Ver­kehr nicht wie bis­her auf­recht­erhal­ten wer­den, son­dern wür­de weit­ge­hend zum Erlie­gen kom­men. So wür­den die meis­ten S‑Bahnen aus Rich­tung Nor­den bereits an der neu­en Sta­ti­on „Mitt­nacht­stra­ße“ enden. Fahr­gäs­te wür­den noch nicht ein­mal ohne Wei­te­res an den Haupt­bahn­hof gelan­gen.

Der gesam­te Gleis­be­le­gungs­plan kann hier abge­ru­fen wer­den.

Hin­weis: Der Ziel­fahr­plan für den Deutsch­land­takt stellt das maß­geb­li­che Instru­ment für die Bemes­sung einer zukunfts­fä­hi­gen Infra­struk­tur dar und soll den zukünftigen/längerfristigen Bahn­ver­kehr abbil­den. Die­ser Fahr­plan ent­spricht nicht unbe­dingt dem Inbe­trieb­nah­me­fahr­plan.