Presseerklärung, 08.04.2015
Stuttgart 21: Milliardenprojekt ohne konsequente Barrierefreiheit
Die Barrierefreiheit wird immer mehr zu einer der zentralen Fragen der Mobilität und der sozialen Teilhabe aller Menschen. Gerade neu geplante und gebaute Bahnhöfe sollten konsequent barrierefrei ausgeführt werden. Das Bahnprojekt Stuttgart 21 weist allerdings Mängel bezüglich dieser Anforderung auf. Behindertenverbände sind nicht zufrieden mit der aktuellen Planung des neuen Hauptbahnhofes in der Innenstadt. In mehreren Punkten besteht Dissens zwischen den Planungen der DB und den Forderungen der Behindertenverbände.
Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter der Grünen aus Filderstadt, hat deshalb die Bundesregierung zu verschiedenen kritischen Punkten befragt. Da es sich bei dem Bahnhof um einen unterirdischen Tiefbahnhof handelt, sind Evakuierungsmaßnahmen im Notfall von besonderer Bedeutung. Leider ist die Eigenrettung von Menschen mit Behinderung nur sehr eingeschränkt möglich.
Zwar sollen die von den Tiefbahnsteigen nach oben führenden Aufzüge auch im Brandfall betriebsbereit bleiben – aber selbstverständlich nur so lange, wie kein Rauch in die Aufzüge gelangt. In diesem Fall bleibt Menschen mit Mobilitätseinschränkung, die nicht eine der Treppen nutzen können, nur noch das Warten auf Hilfe in den Aufstellflächen der Nottreppenhäuser übrig. Die Verglasung der Fluchttreppenhäuser ist allerdings nur in feuerhemmender Ausführung geplant – und nicht in feuerbeständiger Version. Für die Rettung aus diesem Bereich verbleibt maximal eine halbe Stunde Zeit.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die insbesondere aus Sicht der Behindertenverbände zu geringe Durchgangsbreite auf den geplanten Bahnsteigen. Aus Brandschutzgründen wurden auf den Bahnsteigen zusätzliche Treppen geplant, ohne dass die Bahnsteige entsprechend breiter wurden. An einigen Stellen beträgt die Durchgangsbreite nur 2,05m. „Diese ist zwar gerade noch regelkonform, aber für einen neuen Bahnhof, der mehrere Milliarden Euro kostet, völlig unangemessen“, ärgert sich Matthias Gastel. „Für alle Fahrgäste stellen diese Verengungen im Normalbetrieb unkomfortable Nadelöhre dar. Im Brandfall entwickeln sich diese zu Gefahrenquellen.“
Der Abgeordnete teilt die Meinung der Behindertenverbände, dass eine qualifizierte Personenstromanalyse notwendig ist. Diese dürfte bestätigen, dass die Durchgangsbreiten tatsächlich viel zu gering dimensioniert sind. „Eine solche Analyse ist leider nicht geplant“, sagt der Bahnpolitiker Matthias Gastel. „Deshalb gibt es weiterhin Unklarheit über die konkreten Auswirkungen der engen Bahnsteige auf die Reisenden. Bei Zweifeln sollte nicht einfach drauflos gebaut, sondern zunächst Klarheit verschafft werden.“
Link zur Kleinen Anfrage “Barrierefreiheit beim Bahnprojekt „Stuttgart 21”: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/039/1803948.pdf