Widersprüche bei Sicherheit und Betriebskonzept
Die Deutsche Bahn als Bauherrin und ihre Projektpartner feiern regelmäßig die Baufortschritte. Doch wenn man genauer nachfragt, so kann man nur noch erstaunt sein über die vielen offenen Fragen. Einige der offenen Fragen beziehen sich auf die Sicherheit im Tiefbahnhof mit seinen stark geneigten Gleisen, mögliche Auflagen für die Betriebserlaubnis und das damit mögliche Betriebskonzept. Auch die Finanzierung der Mehrkosten ist nach wie vor offen. Zu diesen Aspekten hatten wir Grünen eine erneute Anfrage an die Bundesregierung gerichtet.
Zur Sicherheit
Die Bundesregierung hatte auf eine frühere Anfrage von uns Grünen behauptet, das Eisenbahnbundesamt (EBA) habe mehrfach bestätigt, dass der sichere Bahnbetrieb des geplanten Hauptbahnhofes trotz der starken Gleisneigung gewährleistet sei. Wir wollten nun wissen, gegenüber wem und wann das EBA dies gesagt haben soll. Die Antwort der Bundesregierung ist entlarvend: Diese Aussagen des EBA seien „vielfältig und im Einzelnen nicht rekonstruierbar“.
Der neue Hauptbahnhof soll Gleisneigungen aufweisen, die weit über den Richtwerten liegen. Daher stellt sich die Frage, wie Züge wirkungsvoll gegen Wegrollen gesichert werden. Die Bundesregierung räumt ein, dass es im zukünftigen Hauptbahnhof durchaus behördliche Auflagen zur Gewährleistung der Sicherheit geben kann. Diese könnten sogar noch nach der Inbetriebnahmegenehmigung erteilt werden. Unsere Frage, ob der „Nachweis gleicher Sicherheit“ inzwischen vorliegt, beantwortet die Bundesregierung nicht.
Mein Kommentar:
“Wenn es um die Beurteilung der Sicherheit geht argumentiert die Bundesregierung beliebig. Erst behauptet sie, das EBA habe wiederholt den sicheren Bahnbetrieb bestätigt. Dann kann sie nicht belegen, wann und wo das ausgesagt worden sei, da die Aussage des EBA nicht mehr rekonstruierbar sei. Erst behauptet die Bundesregierung, Auflagen zur Verhinderung des Wegrollens von Zügen auf den abschüssigen Gleisanlagen des Hauptbahnhofs seien nicht zu erwarten. Nun bekommen wir zu hören, dass dazu gegenwärtig noch gar keine Aussage möglich sei. So beliebig kann man mit relevanten Fragen nicht umgehen, die sich auf die Sicherheit ebenso auswirken wie auf die Kapazität des zukünftigen Hauptbahnhofs. Wir wollen endlich Antworten.”
Betriebskonzept mit oder ohne Zugwenden?
Auf die Frage, wie Zugwenden im Tiefbahnhof ausgeschlossen werden sollen („In Stuttgart werden keine Zugwenden stattfinden“, so hatte die Bundesregierung auf unsere Anfrage im März geantwortet), antwortet die Bundesregierung nun ausweichend lediglich mit dem Hinweis, dass solche im Betriebsprogramm „nicht vorgesehen“ seien. Da aber Doppelbelegungen, also der Halt zweier Züge an einem Bahnsteiggleis, vorgesehen sind, können Zugwenden nicht ausgeschlossen werden. Denn was soll geschehen, wenn der „vordere“ Zug wegen eines technischen Schadens nicht ausfahren kann? Dann sollte der andere Zug „rückwärts“ ausfahren können.
Mein Kommentar:
“Ohne Doppelbelegungen von Bahnsteiggleisen wird sich die wachsende Fahrgastzahl nicht bewältigen lassen. Die Bundesregierung verweist zu Recht darauf, dass diese Möglichkeit besteht. Dann können jedoch Zugwenden nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Fahrtrichtungswechsel auf den verhältnismäßig stark geneigten Gleisen erfordern klare Maßnahmen zur Sicherheit. Darauf zu verweisen, dass Zugwenden nicht vorgesehen seien, blendet die zu erwartende Realität aus.”
Finanzierung der Mehrkosten
Auch nach den Kosten und der Finanzierung haben wir erneut gefragt. Demnach wurden bis zur Jahresmitte insgesamt 2,917 Milliarden Euro verausgabt. Bei der Frage, wer die Mehrkosten von 3,7 Milliarden Euro (ausgehend von Gesamtkosten in Höhe von mindestens 8,2 Milliarden Euro) finanzieren soll duckt sich die Bundesregierung einmal mehr weg. Sie ignoriert, dass sie das Milliardenprojekt selber mit durchgedrückt hat und verweist auf den angeblich eigenwirtschaftlichen Charakter des Projektes und die Rolle der Projektpartner. Damit lässt der Bund sein eigenes Unternehmen genauso im Stich wie er das Land Baden-Württemberg im Ungewissen lässt. Der Bund möchte den Gerichten die Entscheidung darüber überlassen, wer die Mehrkosten trägt.
Mein Kommentar:
“Die Bundesregierung, die am Milliardenprojekt Stuttgart 21 eifrig mitgestrickt hat, darf sich nicht einfach aus der Verantwortung stehlen. Sie muss endlich für Klarheit bei den Mehrkosten sorgen und eine Finanzierung aus Bundesmitteln sicherstellen. Schließlich baut mit der Deutschen Bahn ein bundeseigenes Unternehmen den Tiefbahnhof und alles drum herum.”