Mitfahrt in Lok über Hindenburgdamm
Mit Sylt zeigt eine überwiegend auf dem Schienenweg angebundene Insel, wie Wettbewerb im Bahnbereich funktioniert – und wo die Unzulänglichkeiten der Infrastruktur in Deutschland liegen.
Noch vor der Fähre und dem Flugzeug stellt die Bahnanbindung über den Hindenburgdamm den Hauptzugang zur Insel dar. Große Teile der „237 Kilometer langen Marschbahn zwischen Hamburg-Altona und Westerland auf Sylt sind eingleisig und nicht elektrifiziert. Auf dieser Strecke findet dennoch ein dichter – und dadurch verspätungsanfälliger – Bahnverkehr statt. Die Elektrifizierung endet in Itzehoe. Fast drei Viertel der Gesamtstrecke verfügt also über keine Oberleitung. Im Bedarfsplan des Bundes (Bundesverkehrswegeplan) ist eine solche nicht vorgesehen. Schleswig-Holstein strebt sie jedoch an und kann hierfür – unter Einsatz von Eigenmitteln – überwiegend Mittel des Bundes nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) nutzen. Mehrere Abschnitte sind nicht elektrifiziert. Es fahren also Dieselzüge zwischen den riesigen Windparks hindurch.
Wie bereits erwähnt, kommt es häufig zu Verspätungen. Kurzfristig sind Fahrplananpassungen denkbar. Mittelfristig könnten Blockverdichtungen die Situation entspannen. Langfristig wird nur der Streckenausbau helfen können. Der Bedarfsplan sieht einen zweigleisigen Ausbau zwischen Niebüll und Klanxbüll (beides auf dem Festland gelegen) sowie zwischen Tinnum und Morsum (Insel) vor. Dadurch ließe sich die Betriebsqualität bereits deutlich steigern.
Die Insel wird auf dem Schienenweg durch die Deutsche Bahn (reine Personen- sowie Autozüge) und dem „blauen Autozug Sylt“ des privaten Bahnunternehmens RDC[1] angebunden. Seit Juli wird Sylt zusätzlich durch einen Nachtzug angebunden, der ebenfalls von RDC verantwortet wird. Der „Alpen-Sylt-Nachtexpress“ verkehrt an den Wochenenden mit zwei Zugpaaren zwischen Sylt und Salzburg. Weitere Halte gibt es in Hamburg, Frankfurt, Nürnberg und München. Ich habe mir den Zug (das Wagenmaterial war früher für “Flixtrain” unterwegs) von innen angeschaut und mit Unternehmensvertreter*innen gesprochen. Eine erste Bilanz des Bahnunternehmens fällt positiv aus.
Außerdem konnte ich in der Lok eines der RDC-Autozüge (600 Meter lang, beladen mit Pkw und Lkw) über den Hindenburgdamm von Sylt aufs Festland mitfahren und dabei mehr über die Angebote wie auch die infrastrukturellen Probleme erfahren. So konnte „mein“ Autozug erst mit einer Verspätung von etwa 25 Minuten starten, da noch einige Ausfahrten von reinen Personenzügen abgewartet werden mussten. An den Ausweichstellen auf der Strecke musste auf Gegenzüge gewartet werden. Dafür war der Blick auf das Watt links und rechts des Bahndamms spektakulär.
[1] Auf Ausführungen darüber, wie die Deutsche Bahn sich gegen Wettbewerb auf dieser gewinnträchtigen Verbindung gewehrt hat und welche „Tricks“ sie hierfür angewandt hat, verzichte ich an dieser Stelle. Die Syltverkehre waren über Jahre Dauerthema im Infrastrukturausschuss der Bundesnetzagentur, dem ich angehöre.