Volle Unterstützung für die Ukraine

27.04.2022

Für Diplomatie, Sanktionen – und Waffen

Immer wie­der bekom­men wir Zuschrif­ten, in denen wir zu „Frie­den schaf­fen ohne Waf­fen“ auf­ge­for­dert wer­den und fest­ge­stellt wird, dass Krieg kei­ne Lösung sei. Bei aller Sym­pa­thie für die­se Ein­stel­lun­gen (auch ich war frü­her oft auf Oster­mär­schen und die Sor­ge um den Frie­den war ein Grund, dass ich mich Ende der 1980er-Jah­re den Grü­nen ange­schlos­sen habe) muss man lei­der mit Blick auf die grau­sa­me Rea­li­tät fest­stel­len: Der Krieg tobt bereits. Er tobt in äußers­ter Bru­ta­li­tät. Der Aggres­sor steht mehr als in vie­len ande­ren Krie­gen ein­deu­tig fest. Es war und ist Russ­land auf Ver­an­las­sung Putins, das die Ukrai­ne über­fal­len hat. Es sind Putins Trup­pen, die schwers­te Kriegs­ver­bre­chen bege­hen.[1]

Er lässt lei­der nicht mit sich reden. Die Waf­fen schwei­gen lei­der nicht, auch wenn wir uns dies noch so sehr wün­schen. Diplo­ma­tie hat bei Putin bedau­er­li­cher­wei­se kei­ne Chan­ce, wenn­gleich die dies­be­züg­li­chen Bemü­hun­gen unun­ter­bro­chen wei­ter­lau­fen.

Sprü­che klop­fen hilft uns nicht aus dem bru­ta­len Krieg her­aus und ver­hin­dert auch kei­ne Aus­wei­tung auf ande­re Regio­nen. Wir ent­schei­den nicht dar­über, ob wir einen Krieg begin­nen. Wir ent­schei­den aber mit dar­über, ob sich mit Putins Krieg das Recht oder das Unrecht durch­setzt. In einer sol­chen Situa­ti­on kann es kei­ne Neu­tra­li­tät geben. Es gilt, Far­be zu beken­nen und sich ent­schlos­sen auf die Sei­te des Rechts zu stel­len. Es ist hart, aber wir kom­men nicht ohne Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne aus, wenn sie sich selbst ver­tei­di­gen kön­nen soll. Damit ver­tei­digt sie auch unse­re Wer­te von Demo­kra­tie und Rechts­staat­lich­keit, die Putin nicht zu ach­ten bereit ist. Wür­de Putin den Krieg mili­tä­risch gewin­nen, müss­ten wei­te­re ehe­ma­li­ge Sowjet­re­pu­bli­ken und deren ehe­ma­li­ge Ver­bün­de­te um ihre Sou­ve­rä­ni­tät ban­gen. Der rus­si­sche Gene­ral­ma­jor Min­ne­ka­jew wird von rus­si­schen Nach­rich­ten­agen­tu­ren mit der Aus­sa­ge zitiert, man wol­le nach dem Süden der Ukrai­ne auch die Repu­blik Mol­dau ein­neh­men. Übri­gens beob­ach­tet auch Chi­na ange­sichts des eige­nen Kon­flik­tes mit Tai­wan sehr genau, wie die west­li­chen Staa­ten mit Putins Russ­land ver­fah­ren.

Ange­sichts die­ser Lage bin ich neben dem wei­te­ren Ver­schär­fen der Sank­tio­nen und dem Fort­füh­ren aller diplo­ma­ti­schen Bemü­hun­gen dafür, der Ukrai­ne wei­ter Waf­fen zu lie­fern, dar­un­ter auch sog. schwe­re Waf­fen.

Bedau­er­li­cher­wei­se hat „der Wes­ten“, hat auch Deutsch­land, schwe­re Feh­ler gemacht: Über vie­le Jah­re wur­de Putin hofiert, wur­de die Abhän­gig­keit von Ener­gie­trä­gern und Roh­stof­fen aus Russ­land ver­grö­ßert (was nun sehr schnel­le, durch­grei­fen­de Sank­tio­nen erschwert) und das unsin­ni­ge und von uns Grü­nen bekämpf­te Pro­jekt Nord Stream 2 vor­an­ge­trie­ben. Die­se Feh­ler und Ver­säum­nis­se kön­nen aber nicht über die Ver­ant­wor­tung für den Krieg hin­weg­täu­schen. Putin hat mit sei­ner Armee die Ukrai­ne über­fal­len, Völ­ker­recht gebro­chen und er allei­ne trägt zusam­men mit denen, die ihn aus sei­nem Land her­aus unter­stüt­zen, die Schuld für alle Toten und das Elend. Daher ste­he ich zu wei­te­ren Ver­schär­fun­gen der Sank­tio­nen und auch zu den Waf­fen­lie­fe­run­gen. Letz­te­re bedeu­ten nicht, dass Län­der wie Deutsch­land damit Kriegs­par­tei wer­den.[2] Wir wer­den alles ver­mei­den, was uns Kriegs­par­tei wer­den las­sen könn­te.

„Die Grü­nen sind doch eine pazi­fis­ti­sche Par­tei“

Mit die­ser Aus­sa­ge wer­den wir und wer­de auch ich in die­sen Tagen immer wie­der kon­fron­tiert. Dazu zwei Anmer­kun­gen: Ers­tens hat­ten­die Grü­nen von Anfang an einen pazi­fis­ti­schen Flü­gel. Sie waren aber zugleich auch Men­schen­rechts­par­tei und stan­den und ste­hen bis heu­te für das Selbst­be­stim­mungs­recht der Völ­ker ein. Dar­aus ergab sich immer wie­der ein Span­nungs­feld, in dem eine Ant­wort gesucht wer­den muss­te. Dar­auf baut die zwei­te Anmer­kung auf: Wir machen Real­po­li­tik. Das bedeu­tet, dass das eige­ne Ver­hal­ten und die poli­ti­sche Ver­ant­wor­tung immer wie­der an der aktu­el­len Lage aus­ge­rich­tet wer­den müs­sen.[3] Grund­über­zeu­gun­gen sind nicht dazu da, dass man Rea­li­tä­ten damit aus­blen­det und sich die bestehen­de Welt so malt, wie man sie ger­ne hät­te. Grund­über­zeu­gun­gen die­nen viel­mehr dazu, beson­ders kri­tisch mit Ent­wick­lun­gen umzu­ge­hen, die die­sen wider­spre­chen und über den Umgang mit kon­kre­ten, aku­ten Situa­tio­nen hin­aus Poli­tik lang­fris­tig ent­spre­chend zu gestal­ten. Das mache ich bei­spiels­wei­se, indem ich Mit­glied der Par­la­ments­kreis Atom­waf­fen­ver­bot gewor­den bin.

Der Antrag der Ampel-Koali­ti­on

Die drei Koali­ti­ons­frak­tio­nen haben sich auf einen umfas­sen­den Antrag ver­stän­digt. In die­sem bekennt sich die Koali­ti­on klar zur Unter­stüt­zung der ange­grif­fe­nen Ukrai­ne durch Diplo­ma­tie, Sank­tio­nen gegen Russ­land und die Bereit­schaft zur Lie­fe­rung auch schwe­rer Waf­fen (Ring­tausch und Prü­fung der Abga­be wei­te­rer Waf­fen). Zugleich wird deut­lich gemacht, dass weder Deutsch­land noch die NATO zur Kriegs­par­tei wer­den dür­fen. Eini­ge kon­kre­te Inhal­te des Antrags: Embar­go für Koh­le-Impor­te aus Russ­land, schnellst­mög­li­cher Aus­stiegs­fahr­plan für rus­si­sche Öl- und Gasim­por­te, Auf­nah­me und Inte­gra­ti­on wei­te­rer Flücht­lin­ge und Unter­stüt­zung von Län­dern wie Mol­dau und Geor­gi­en bei der Auf­nah­me Geflüch­te­ter, Doku­men­ta­ti­on von Kriegs­ver­bre­chen, Asyl­an­ge­bo­te für deser­tier­te rus­si­sche Sol­da­ten sowie Unter­stüt­zung der NATO-Mit­glied­schaf­ten von Schwe­den und Finn­land.

[1] So spricht bei­spiels­wei­se das Büro der UN-Hoch­kom­mis­sa­rin für Men­schen­rech­te von immer mehr Anzei­chen für Kriegs­ver­bre­chen durch rus­si­sche Trup­pen. Die NGO „Human Rights Watch“ berich­tet auf Ihrer Home­page: „Rus­si­sche Streit­kräf­te haben wäh­rend ihrer Beset­zung von But­scha, einer Stadt etwa 30 Kilo­me­ter nord­west­lich der ukrai­ni­schen Haupt­stadt Kiew, vom 4. bis 31. März 2022 eine gan­ze Rei­he mut­maß­li­cher Kriegs­ver­bre­chen began­gen.“ Berich­tet wird über der­ar­ti­ge Ver­bre­chen in Russ­land nicht. Ganz im Gegen­teil, kri­ti­sche Bericht­erstat­tung wird bru­tal unter­bun­den, wie „Repor­ter ohne Gren­zen“ auf ihrer Home­page schrei­ben: „Die rus­si­schen Behör­den betrei­ben eine regel­rech­te Hetz­jagd, um die weni­gen ein­hei­mi­schen Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten zum Schwei­gen zu brin­gen, die es über­haupt noch wagen, ent­ge­gen der vor­herr­schen­den Pro­pa­gan­da über den von Russ­land in der Ukrai­ne ange­zet­tel­ten Krieg zu berich­ten.“ In Russ­land darf noch nicht ein­mal unge­straft das Wort „Krieg“ in den Mund genom­men wer­den.

[2] Ande­re Län­der, wie ver­mut­lich Tsche­chi­en, lie­fern schon län­ger auch schwe­re Waf­fen, ohne dadurch Kriegs­par­tei gewor­den zu sein.

[3] Für die Wähler*innen der Grü­nen ist dies mehr­heit­lich womög­lich gar nicht so schwie­rig: Sie unter­stüt­zen einer For­sa-Umfra­ge zufol­ge zu 72 Pro­zent die Lie­fe­rung schwe­rer Waf­fen an die Ukrai­ne.