„Reisebus und Nachhaltigkeit – wo liegt die Zukunft?“
20.04.2017 Friedrichshafen, Neue Messe
Vortrag beim RDA, dem Internat. Bustouristik-Verband mit 3.000 Mitgliedsbetrieben
Ich freue mich, dass Sie Ihre Veranstaltung an meinen Urlaubsort gelegt haben und ich beides – ein paar wenige Urlaubstage und meine politische Arbeit – so wunderbar miteinander verknüpfen kann.
Diese Region hier ist eine verkehrspolitisch sehr spannende. Alle Verkehrsträger sind hier vertreten: Straße, Schiene, Flugverkehr und Schifffahrt. Der Bodenseeraum stellt eine wirtschaftsstarke Region und zugleich einen vielfältigen Naturraum dar. Eine tragende Säule des Wirtschaftsraumes ist der Tourismus. Eine der großen Herausforderungen ist der Verkehr. Er ist die Voraussetzung für eine starke Wirtschaft und auch für den Tourismus. Zugleich ist zu viel Verkehr – zu viel motorisierter Verkehr oder noch genauer: Zu viel Verkehr auf Basis von fossilen Verbrennungsmotoren – auch einer der Aspekte, die Tourismus behindern können. Letzte Woche war ich in Überlingen, einer wunderschönen Kleinstadt hier am Bodenseeufer. Der starke Motorradverkehr hat die gesamte Innenstadt bis hin zur Uferpromenade verlärmt. Stau, Lärm und Abgase sind aber das, was die wenigsten zuhause und noch weniger im Urlaub wollen. Dies ist ein Grund weshalb es gut und dringend notwendig ist, sich die Frage nach nachhaltigem Tourismus zu stellen.
Wenn man sich den Personenverkehr in Deutschland – gemessen in Personenkilometern anschaut – dann dürfte sich für viele ein überraschendes Bild ergeben: Auf den Urlaubs- und Freizeitverkehr entfällt 43 Prozent der insgesamt zurückgelegten Entfernung! Dies heißt, wir legen mehr Kilometer für Urlaub und Freizeit als für die beruflich bedingten Wege (36%) zurück!
Dies macht deutlich: Es ist für unsere Umwelt, das Klima und die Gesundheit der Menschen von sehr großer Bedeutung, mit welchen Verkehrsmitteln wir reisen! Und da sieht es leider alles andere als gut aus (bezogen auf den Personenverkehr insgesamt):
Knapp 80 Prozent entfallen auf den MIV und damit überwiegend auf das Auto. Auf den sog. „Umweltverbund“ (Fuß‑, Rad‑, Bus- und Bahnverkehr) entfallen zusammen nur rund 20 %. Das umweltschädlichste aller Verkehrsmittel, das Flugzeug, hatte in den letzten Jahren das stärkste Wachstum. Sein Anteil liegt inzwischen bei 5%. Interessant ist der Blick speziell auf das Urlaubsreiseverhalten: Auch hier steht der Pkw ganz vorne. 45 Prozent aller Urlaubsreisen werden mit dem Auto oder Wohnmobil unternommen. Es folgt das Flugzeug, mit dem 40 Prozent aller Urlaubenden ans Ziel gelangen. Der Flieger liegt seit Jahren im Trend. Auf den Bus entfallen nur 7 und auf die Bahn 5 Prozent aller Urlaubsfahrten.
Zurück zu allen Wegen, unabhängig von ihrem Zweck. Wenn man nicht die zurückgelegten Entfernungen, sondern die Anzahl der Wege anschaut, sieht die Sache überwiegend etwas besser aus: Von allen Wegen hat das Auto aber noch immer einen Anteil von knapp 60 Prozent. Messbar hinzukommen der Fuß- und Radverkehr. Jeder vierte Weg wird zu Fuß zurückgelegt und jeweils jeder zehnte mit dem Rad sowie mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Für die menschliche Gesundheit, das Klima und die Umwelt macht es einen sehr großen Unterschied, wie wir uns fortbewegen, wie wir reisen.
Beginnen wir bei der Gesundheit:
Bei den Stickoxiden, die sich auf unsere Atemwege auswirken, schneiden das Flugzeug und der Linienbus am schlechtesten ab. Mit großem Abstand am besten schneiden der Fernverkehr mit der Bahn und die Straßen- bzw. U‑Bahn ab.
Der Reisebus belegt einen mittleren Platz und emittiert ein Drittel weniger NOx als das Auto.
Die Feinstaubbelastungen sind zum Glück insgesamt deutlich zurückgegangen. Stuttgart ist die einzige Stadt, in der aufgrund der besonderen Lage die Grenzwerte noch immer regelmäßig überschritten werden.
Kommen wir zur Klimabilanz, also den Treibhausgasen, gemessen in CO2-Äquivalenten. Hier schneidet der Reisebus am besten ab. Alle anderen Verkehrsmittel (Fahrrad- und Fußverkehr ausgenommen) pusten mehr in die Luft. Die Negativbilanz des Autos wird nur noch vom Flugverkehr getoppt.
Mir persönlich ein besonders wichtiges Anliegen ist immer die Frage nach dem Ressourcenverbrauch. Denn wir beuten die Erde innerhalb weniger Jahrzehnte mit dem aus, was sie über viele Millionen von Jahren geschaffen hat und nach menschlichem Ermessen nicht mehr nachwächst. Auch deswegen – und natürlich wegen unserem Klima, das immer mehr verrücktspielt – ist es so wichtig, dass wir uns von Öl, Gas und Kohle unabhängiger und eines Tagen weitgehend unabhängig machen.
Der Verbrauch von Verkehrsmitteln wird in Benzinäquivalenten gemessen. Die Bilanz ist klar: Der Reisebus sticht mit einem Verbrauch von 1,4 Litern pro 100 Personenkilometer das Auto und das Flugzeug klar aus. Aber auch die Fernverkehrszüge schneiden mit 1,9 Litern besonders gut ab. Ich weiß, weshalb ich zwischen Stuttgart und Berlin nahezu ausschließlich mit der Bahn pendle. Die Verkehrsmittel des öffentlichen Nahverkehrs verbrauchen je rund 3 Liter und damit halb so viel wie das Auto.
Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass die Ökobilanzen der Verkehrsmittel sehr stark von der Auslastung der jeweiligen Fahrzeuge abhängt. Hier wurden vom Umweltbundesamt Durchschnittswerte zugrunde gelegt. Beim Pkw wurde beispielsweise von 1,5 Personen ausgegangen – einem Wert, der im Berufsverkehr und damit dann, wenn alle gleichzeitig fahren, nicht erreicht wird. Bei der Bahn wurde von 50% im Fern- und von nur 28% im Nahverkehr ausgegangen. Beim Linienbus im Nahverkehr wurde eine Auslastung von 21% angenommen. Und beim Reisebus (inklusive Fernbus) ging man von 60% aus. Klar ist, dass beim Reisebus die Größe der zu befördernden Gruppe zumeist vorher ziemlich genau bekannt ist. Damit lässt sich die geeignete Gefäßgröße bestimmen und eine hohe Auslastung und damit eine positive Ökobilanz erzielen.
Im Ergebnis lässt sich festhalten:
Die Ökobilanz des Flugzeugs und des Autos ist bei allen Parametern schlecht. Am besten schneiden der Reisebus und die Bahn im Fernverkehr ab. Für den Reisebus sprechen insbesondere der Klimaschutz und der Energieverbrauch. Dies zeigt, dass es keinen Sinn macht, Bahn und Reise- bzw. Fernbus gegeneinander auszuspielen. Bei den Stickoxiden muss der Reisebus allerdings besser werden.
Zur Ökobilanz der Bahn möchte ich noch einige kurze Ergänzungen hinzufügen:
40 Prozent der Schienenstrecken in Deutschland sind nicht elektrifiziert. Mit jeder Streckenelektrifizierung – erst Recht in Kombination mit der weiteren Erhöhung des Ökostrom-Anteils – wird die Bahn effizienter und klimafreundlicher.
Ich bin sehr froh, dass es damit gerade hier in der Region endlich vorangeht: Die Elektrifizierung der Südbahn (Ulm-Friedrichshafen) und des östlichen Teils der Bodenseegürtelbahn (Friedrichshafen-Lindau) wird gerade geplant. Das Land B‑W beteiligt sich freiwillig an der Finanzierung, dadurch kam endlich Bewegung in die Sache.
Ein umweltrelevanter Aspekt, der selten berücksichtigt wird, ist der Flächenverbrauch. Hier schneidet der Bus gut ab. Sogar besser als vollbesetzte Autos.
Zurück zu den Stickoxiden und dem Reisebus. Über die Hälfte der Reisebusse entsprechen nur der Euronorm 3 oder weniger (Daten aus 2016). Mit der notwendigen Flottenerneuerung wird die Busbranche ihre Ökobilanz deutlich verbessern können. Dass notwendige Investitionen finanziert werden müssen und dafür erst einmal Gewinne erforderlich sind ist mir klar. Aber Sie sind ja eine erfolgreiche und große Branche.
Spannend (auch politisch spannend) geworden ist Ihre Branche besonders durch die Fernbusse. Ich glaube, dass bei allem Preisdruck, der in diesem Segment besteht, vom Fernbus eine Riesenchance für den Reisebus, ja für den Bus insgesamt, ausgeht: Während die Busreisenden im Reisebus ein Durchschnittsalter von 56 Jahren aufweisen, sorgt der liberalisierte Fernbusmarkt für eine deutliche Verjüngung der Fahrgäste. Die Hälfte der Fernbus-Fahrgäste ist noch keine 30 Jahre alt. Und der Fernbus hat meiner Wahrnehmung zufolge zu einem deutlichen Imagewandel geführt: Reisen mit dem Bus hat sein etwas angestaubtes Image verloren und gilt wieder als zeitgemäß und sogar cool.
Das macht auch Hoffnung für vielerorts neu entstehende, öffentlich geförderte Buslinien in Ergänzung zum Schienenverkehr. So hat beispielswese die Region Stuttgart als Reaktion auf die Feinstaub- und Stickoxidproblematik drei Schnellbuslinien geschaffen, die etwas längere Distanzen als die üblichen Linienbusse abdecken. Eine erste Zwischenbilanz sieht positiv aus. Was den Reisenden wichtig ist, wurde auch beim neuen Schnellbus deutlich: Ausreichend Platz fürs Gepäck, WLAN, gute Echtzeit-Fahrgastinformationen und Barrierefreiheit. Zum WLAN eine Anmerkung: Dies ist auch deshalb so wichtig, weil sich damit Reiseketten von unterwegs aus überprüfen und ändern lassen. Die Digitalisierung erweist sich damit als Chance für eine nachhaltige und verlässliche Mobilität.
Gerade unter Jüngeren trägt der Fernbus dazu bei, dass das eigene Auto nicht mehr so wichtig ist und Mobilität immer seltener automatisch mit Automobilität gleich gesetzt wird.
Rund jeder fünfte Fernbusreisende ist übrigens zu touristischen Zwecken unterwegs.
Je nach Studie stark schwankend kommen 30 bis 60 Prozent der Fernbusnutzer vom Auto. Sogar vom Flugzeug wurden Umsteiger gezählt – in der Größenordnung von etwa 5 Prozent. Allerdings wäre rund jeder Dritte Fernbuskunde alternativ mit der Bahn gereist. Das schmerzt die Bahn. Interessant und leider nicht von der Hand zu weisen ist daher die Feststellung in einer der vielen Studien, wonach zwischen öffentlichen Verkehrsmitteln wesentlich stärkere Substitutionsbeziehungen bestehen dürften als zu einem Individualverkehrsmittel. Dem Auto Marktanteile wegzunehmen ist also extrem schwierig, wenngleich ökologisch dringend geboten.
Wir Grüne haben der Liberalisierung des Fernbusmarktes zugestimmt. Und wir stehen dazu: Es ist gut, dass die Familie umweltfreundlicher Verkehrsmittel Zuwachs bekommen hat!
Über die Umweltbilanz des Fernbusses liegen noch wenig belastbare Erkenntnisse vor. Das Umweltbundesamt arbeitet gerade jedoch an einer Ökobilanz für den Fernbus. Ende Mai sollen die Ergebnisse vorliegen. Was wir bereits wissen:
- Die Fernbusflotte ist jung. Wegen der hohen Kilometerleistung werden die Busse nur 3–4 Jahre im Fernbusbetrieb genutzt. Damit ist der Anteil von Bussen mit Euronorm 6 sehr hoch. Dies wirkt sich vor allem positiv auf die Stickoxid-Emissionen aus.
- Bei den Treibhausgasen schneidet der Fernbus besser ab als die Bahn. Bei Feinstaub hingegen hat die Bahn einen Vorteil.
- Es gibt – mehr als vor allem bei der Bahn – induzierte Verkehre. Dies sind durch die niedrigen Preise zusätzlich angereizte Verkehre. Man geht von 5 bis 10 Prozent der Fahrgäste aus, die nur wegen der billigen Fahrkarten überhaupt eine Reise antreten. Mal sehen wie sich der Markt entwickelt, nachdem die fast-geschenkt-Preise von einem Euro, in Ausnahmefällen sogar von nur einem Cent, zum Glück verschwunden sind. Mobilität muss nicht teuer sein. Einen Preis darf sie aber durchaus haben.
Was wir Grüne für korrekturbedürftig halten ist die Mautbefreiung. Es passt nicht ins System der Nutzerfinanzierung, dass Fernbusse keine Maut bezahlen müssen. Für jeden Lkw muss Maut bezahlt werden. Zunehmend muss auch für kleinere Lkw und auf zusätzlichen Straßen Maut abgeführt werden. Auch im Pkw-Bereich wurde – wenn auch auf völlig unsinnige Weise – der Einstieg in die Nutzerfinanzierung gemacht. Auch bei der Bahn muss für die Trassennutzung bezahlt werden. Wir sehen keinen Grund, den Fernbus aus dieser Systematik auszunehmen. Wir sehen auch keine Gefahr, dass dies dem Fernbus nennenswert schaden würde. Der Fernbus ist erfolgreich und hat sich etabliert. Das ist gut so und das wird auch so bleiben.
In mancherlei Hinsicht ist der Fernbus – wie auch die Bahn – anderen Verkehrsmitteln gegenüber benachteiligt. Ich erinnere an dieser Stelle daran, dass der Flugverkehr vielfach subventioniert ist, so beispielsweise bei der Mehrwertsteuer im grenzüberschreitenden Verkehr oder bei den Regionalflughäfen.
Was sich am Fernbusverkehr aus ökologischer Sicht verbessern kann und muss ist der Hol- und Bringverkehr. Fast jeder dritte Fernbuskunde fährt mit dem Auto zur Fernbushaltestelle oder lässt sich mit dem Auto dorthin fahren. Mancherorts wird durch diesen Autoverkehr auch der Betriebsablauf gestört. Ich finde es notwendig, dass die Mitnutzung des öffentlichen Nahverkehrs am Start- und Zielort des Fernbusses im Ticketpreis inbegriffen ist.
Was uns Grünen nicht gefällt ist die Marktkonzentration im Fernbusbereich. Dass inzwischen 92 Prozent des Marktes auf einen Anbieter entfällt, werfen wir allerdings nicht dem führenden Anbieter vor. Erstens waren nicht alle so innovativ und nicht alle hatten das Durchhaltevermögen von Flixbus. Zweitens hat sich gezeigt, dass das Kartellrecht Schwachstellen aufweist und angepasst werden muss. Sich nur an Umsatzgrenzen zu orientieren ist unzureichend, wenn man Monopole verhindern möchte.
Stichwort Monopol: Das Unternehmen Flixbus sagt ja immer wieder, es sei gar kein Monopolist, da das Auto rund 80 Prozent des Marktes beherrscht und Flixbus nur ein Teil des öffentlichen Verkehrs sei. Ganz falsch ist diese Sichtweise nicht. Völlig überzeugen kann sie dennoch nicht. Denn viele mittelständische Busunternehmen sind inzwischen in hohem Maße von Flixbus und seinen Bedingungen abhängig. Wenn ich über Nachhaltigkeit rede, dann gehört auch dieser Aspekt dazu. Bislang, das möchte ich hinzufügen, ist ein Missbrauch dieser Marktstellung zumindest bei den Preisen für die Fahrgäste nicht erkennbar. Wenn ich eine nachhaltige Mobilität im Blick habe, dann spielt dabei der Bus eine wichtige Rolle. Ich hoffe, das ist deutlich geworden.
In einem nachhaltigen Mix aus Verkehrsmitteln, mit dem sich ressourcenschonend, klimafreundlich und mit reduzierten Luftschadstoffen Mobilität sichern lässt, gehört neben dem Bus, Fahrrad und zu Fuß gehen auch die Bahn dazu. Wie in den nächsten Jahren in Schiene und Straße investiert werden soll, wird im Bundesverkehrswegeplan bzw. den daraus abgeleiteten Ausbaugesetzen festgelegt. Diese Gesetze wurden im Dezember 2016 vom Deutschen Bundestag beschlossen. Wir Grüne sehen darin eine massive Fehlentwicklung. Mein Heimatland Baden-Württemberg steht dafür exemplarisch: Alle vom Land angemeldeten Straßenprojekte wurden vom Bund aufgegriffen. Sogar noch mehr: Auch Bundesstraßen, die das Land überhaupt nicht wollte, sind darin enthalten! Bei den Schienenwegen ist es genau umgekehrt: Zunächst war nicht ein einziger Schienenweg fürs Land enthalten. Erst durch massiven Druck kam die Gäubahn (Stuttgart-Zürich) doch noch – genauer gesagt: wieder – ins Gesetz hinein.
Vom Land angemeldete Schienenprojekte hier aus der Gegend hatten und haben hingegen keine Chance: Dazu gehört die eingleisige Bodenseegürtelbahn, die noch dazu zwischen Radolfzell und Friedrichshafen noch immer nicht für die Elektrifizierung vorgesehen ist. Der Bahnbetrieb verläuft unter diesen Bedingungen nur mit eingeschränkten Kapazitäten und einem großen Verspätungsrisiko. Die Situation der Schiene im Bodenseeraum ist übrigens ein Grund, weshalb ich mich derzeit hier aufhalte: Ich treffe mich mit Verbänden und Einzelpersonen, um mich besser zu informieren und zu vernetzen.
Auf einige Herausforderungen der Reisebus- und der Fernbusbranche bin ich bereits eingegangen. Einige weitere möchte ich noch benennen:
- Immer mehr europäische Städte sperren wegen der Luftbelastung ältere oder gleich alle Dieselfahrzeuge aus. Dies kann je nach Ausgestaltung der Regeln auch Ihre Branche betreffen. Mit einer blauen Plakette kann zumindest für einheitliche Spielregeln in Deutschland gesorgt werden und ein Flickenteppich regional unterschiedlicher Verbote vermieden werden. Auch deshalb wollen wir Grüne diese Plakette. Nun müssen sich alle, die mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren in die Städte wollen, auf Fahrbeschränkungen einstellen. Für die meisten Einpendler gibt es akzeptable Alternativen. Für Ihre Branche wird dies schwieriger. Ich sehe nur Lösungen, die schwer umsetzbar oder derzeit noch nicht verfügbar sind: An der Stadtgrenze Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel; Hybridbusse, mit denen sich elektrisch durch die Stadt fahren lässt; Vollelektrische Busse, wenn die Batterietechnik die erforderliche Reichweite ermöglicht[1]. Fast die Hälfte aller Busunternehmen sieht in Fahrbeschränkungen die größte Herausforderung für die betriebliche Entwicklung. Ich kann die Befürchtungen verstehen. In den Städten wird aber zukünftig das Thema „Luftreinhaltung und Gesundheitsschutz“ eine immer wichtigere Rolle spielen. Die Betroffenen haben einen Rechtsanspruch, den es einzulösen gilt. Die Gerichte lassen sich nicht mehr hinhalten und erwarten, dass dem Recht endlich zum Durchbruch verholfen wird. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Immissionsgrenzwert seit 18 Jahren bekannt ist. Auch die Automobilindustrie hatte also mehr als genug Zeit, sich darauf einzustellen! Hier sind Ideen und Innovationen gefragt. Daran müssen auch die Städte, die nicht unwesentlich vom Bustourismus leben, ein Interesse haben und dürften daher gerne Teil der Lösung sein wollen. Es wird allerdings nicht die eine Lösung für alle Unternehmen der Bustouristik bzw. für alle Reisegruppen geben. Zur Automobilwirtschaft muss ich allerdings leider noch ein ernüchterndes Beispiel benennen. Ich war vor einigen Monaten bei Evobus, der Bustochter des Daimlerkonzerns. Bei der Werksbesichtigung und im Gespräch mit der Werksleitung wurde mir erläutert, dass das Unternehmen auf konventionelle Antriebe und Hybridtchnik, nicht aber auf vollelektrische Busse setzt. Vor wenigen Wochen war ich dann bei Bombardier – ebenfalls in Mannheim. Das Unternehmen entwickelt dort Lokomotiven und auch an Elektromotoren und Batterien. Da die Entwicklungskosten hierfür hoch sind, kam die Firma auf die Idee, bei Evobus anzuklopfen und eine Zusammenarbeit beim Bau von E‑Bussen vorzuschlagen. Von dort kam aber eine Absage mit der Begründung, man habe so viel Geld in die Entwicklung der Euronorm 6‑Motoren gesteckt, das man kein Interesse an Elektrobussen habe. Bombardier baut nun zusammen mit einer schweizer Firma E‑Busse. Ihnen als Bustouristik-Unternehmen ist es vermutlich nicht so wichtig, wo die Busse herkommen. Ich muss aber sagen, dass ich das Verhalten etablierter Autobauer einfach nur traurig finde.
- Das gestiegene Terrorrisiko führt zu mehr Urlaub in Deutschland, was sich in Ihrer Branche anhand steigender Buchungszahlen im Inlandstourismus ablesen lässt. Zugleich werden Busreisen – vor allem ins Ausland – aber immer spontaner gebucht und auch wieder storniert. Das erschwert Ihre Planungen.
- Schließlich ist die Busbranche von Fahrermangel in besonderer Weise betroffen. Es muss mehr ausgebildet werden. Hinzu kommen die Fragen der Bezahlung und der Arbeitszeiten, die sich selten familienfreundlich organisieren lassen.
- Mobilitätseingeschränkte Reisende machen schon heute sechs Prozent Ihrer Zielgruppen aus. Dies dürfte angesichts des demografischen Wandels ein wachsender Markt sein. Das erfordert dann aber auch dafür geeignete Busse und Fahrtziele. Im Fernbusbereich hat der Gesetzgeber die Vorgabe gemacht, dass jeder Bus über mindestens zwei rollstuhlgerechte Plätze verfügen muss. Was noch fehlt sind serienmäßige Angebote der Bushersteller und entsprechend ausgebaute Bushaltestellen.
Meine Damen und Herren,
ich bin fest überzeugt davon: Nur nachhaltige Mobilität kann eine Zukunft haben und wird eine Zukunft haben. Gerade im Bereich des Tourismus ist dies besonders wichtig. Dazu gehören neben der Wahl des Verkehrsmittels auch die Unterkunft und die Aktivitäten am Urlaubsort. Bei Ihnen liegen ja die eigen veranstalteten Busreisen im Trend. Damit haben Sie auch Einfluss auf diese Aspekte der umfassenden Nachhaltigkeit. Denn es wäre absurd, wenn der Tourismus das, wovon er lebt, nämlich schöne Landschaften, Natur und gesunde Luft zerstören würde.
Ich glaube, es war Erich Kästner, der sinngemäß einmal gesagt hat: „Eines Tages werden wir überall hin reisen können. Nur wird es sich immer häufiger nicht mehr lohnen, dort anzukommen.“
Soweit darf es nicht kommen. Dafür steht jede Bürgerin und jeder Bürger ebenso in der Verantwortung wie die Politik und die Mobilitätsbranche. Und damit auch die Busunternehmen. Die Ausgangslage für Sie ist gut. Im Jahr 2016 waren so viele Menschen wie nie zuvor mit Bus und Bahn unterwegs. Das Auto verliert an Bedeutung – nicht aber der Urlaub. Dieser wird aber immer häufiger in Distanzen verbracht, die mit dem Bus erreichbar sind. Hinzu kommt, dass der Bus auf der Beliebtheitsskala vor allem der jungen Menschen gestiegen ist.
Einiges ist noch zu schaffen. Machen Sie war daraus!
[1] Bdo-Konjunkturumfrage 2016/2017: 43% der Busunternehmen glauben, dass der Elektroantrieb eine wichtige Entwicklung für den Fernlinienverkehr sein wird (S.31)