Das Eisenbahnverkehrsunternehmen „Arverio“, bis vor kurzem noch „GoAhead“, betreibt in Baden-Württemberg fünf Linien, die alle auf Stuttgart zulaufen. Mit Grünen-Mitgliedern aus der Region Stuttgart traf ich mich mit der Geschäftsführung des Bahnunternehmens. Wir besprachen die Gesamtlage des Unternehmens, das erst kürzlich von den österreichischen ÖBB aufgekauft wurde. Im Hauptfokus unseres Gesprächs standen aber die einzelnen Bahnlinien.
Arverio (GoAhead) war ein britisches Unternehmen, das 2014 in Deutschland eine Tochter gründete und in 2019 in Baden-Württemberg den Betrieb der gewonnen Lose aufnahm. Im Februar 2024 erfolgte der Verkauf an die ÖBB. Die Österreicher stehen mit Know-how zur Verfügung und beabsichtigen mit ihrem neuen Tochterunternehmen, langfristig in Deutschland weiter zu wachsen. Positiv ist zudem der Entfall der Sprachbarriere. Unmittelbare Änderungen sind nicht zu erwarten. Arverio hat in Baden-Württemberg 500 Beschäftigte und fährt mit 66 elektrischen Triebzügen, die aus dem Fahrzeugpool des Landes stammen. Das Unternehmen berichtete von seinen intensiven Ausbildungsbemühungen für Triebfahrzeugführende. Alle sechs Wochen würde ein Kurs beginnen. Die laufenden Verträge enden Anfang der 2030er-Jahre.
Betriebliche Situation
Unbefriedigende Pünktlichkeitswerte sind, so Arverio, auf verschiedene Ursachen zurückzuführen: Überlastete Knoten (Stuttgart, Ulm), hohes Ausmaß an Baustellen, kurzfristige Ankündigung von Baustellen (78 Prozent der Baustellen würden kurzfristiger angekündigt als es sein müsste) sowie eingleisige Streckenabschnitte. Der Betrieb werde überdies belastet, da Fahrzeuge zur Ausrüstung mit ETCS in Werkstätten stehen. Ab 2025 werde der Höhepunkt der Umrüstung erwartet.
Frankenbahn
Arverio spricht von sehr wechselnden Pünktlichkeitswerten. Im 1. Halbjahr lag diese bei 84 Prozent[1]. 66 Prozent der Verspätungen würden durch Überholungen durch vorrangige Züge ausgelöst. 25 Prozent der Verspätungen seien durch die Infrastruktur verursacht und acht Prozent eigenverschuldet (bspw. Störungen an Fahrzeugen und zu lange Fahrgastwechselzeiten). Zur Infrastruktur wird konkret auf die überlasteten Knoten in Stuttgart und Würzburg, die Eingleisigkeit bei Möckmühl und vier störanfällige Bahnübergänge verwiesen.
Murrbahn
Infrastrukturseitig gelten die überlasteten Bahnknoten in Stuttgart und Nürnberg und ein 41 Kilometer langer eingleisiger Abschnitt als problematisch. Zudem müsse mit den beiden Aufgabenträgern (Baden-Württemberg und Bayern) der vermehrte Einsatz von Doppeltraktion geklärt werden, um Überfüllungen zu vermeiden. Bayern ist davon wohl noch nicht überzeugt.
Residenzbahn (Stuttgart – Karlsruhe)
Diese Verbindung zwischen den beiden größten Städten des Landes ist stark nachgefragt. Problematisch sind auch hier die überlasteten Knoten, „die störanfällige Altstrecke und die anspruchsvolle Neubaustrecke“ sowie das hohe und kurzfristig Baustellengeschehen. Nicht gut laufe auch die Fahrgastinformation.
Remsbahn
Hier schlagen zu: Überlasteter Knoten Stuttgart, 30 Kilometer langer eingleisiger Abschnitt und der häufig verspätete Fernverkehr.
Filstalbahn
Auf die Pünktlichkeit nehmen negativ Einfluss: Überlastete Knoten Stuttgart und Ulm, die hohe Auslastung mit Güterverkehren und oft verspätete Fernzüge. Als Problem kämen fehlende Abstellmöglichkeiten hinzu. Mit Inbetriebnahme von Stuttgart 21 werden die Fernzüge von dieser Strecke verschwinden. Auch, wenn dafür vermehrt Regionalzüge unterwegs sein werden, ist von einem positiven Effekt auszugehen.
[1] Als pünktlich gelten alle Züge, die maximal mit 5:59 Minuten verspätet sind.