Wie halten es die Grünen mit S 21?

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Bau­stel­len­auf­nah­me von Okto­ber 2016.

31.01.2018

Fragen und Antworten

Wes­halb sehen die Grü­nen Stutt­gart 21 so kri­tisch?

Dafür gibt es vie­le Grün­de, ins­be­son­de­re ver­kehr­li­che und finan­zi­el­le.

Der im Bau befind­li­che Tief­bahn­hof soll über nur acht Glei­se ver­fü­gen und den Kopf­bahn­hof mit sei­nen 16 Glei­sen erset­zen. Wir sehen Kapa­zi­täts­eng­päs­se und eine aus meh­re­ren Grün­den ein­ge­schränk­te betrieb­li­che Fle­xi­bi­li­tät. Der Tief­bahn­hof weist kaum die Kapa­zi­tät auf, um auch mal einen Zug etwas län­ger als geplant auf Fahr­gäs­te ver­spä­te­ter Züge war­ten zu las­sen. Damit ist er nicht taug­lich für den inte­gra­len Takt­fahr­plan eines Deutsch­land-Tak­tes. Mit der Ertei­lung der Betriebs­ge­neh­mi­gung ist auf­grund der Weg­roll­ri­si­ken auf den stark geneig­ten Glei­sen mit wei­te­ren betrieb­li­chen Ein­schrän­kun­gen zu rech­nen.

Es wird also ein Bahn­hof für sehr viel Geld gebaut, der – so wie geplant – nicht ansatz­wei­se hal­ten kann, was einst ver­spro­chen wur­de. Er ist in die­ser Form nicht zukunfts­fä­hig, weil er kei­ne Per­spek­ti­ve für wach­sen­de Fahr­gast­zah­len und moder­ne, fahr­gast­freund­li­che Betriebs­kon­zep­te bie­tet.

Was haben die Grü­nen gegen Stutt­gart 21 unter­nom­men?

Die Grü­nen haben Stutt­gart 21 bereits zu einem sehr frü­hen Zeit­punkt auf allen ent­schei­den­den Ebe­nen (Bund, Land, Regi­on und Lan­des­haupt­stadt) abge­lehnt. Wir haben vor ver­kehr­li­chen Unzu­läng­lich­kei­ten und unrea­lis­ti­schen Kos­ten­an­ga­ben gewarnt. Ich sel­ber kann mich erin­nern, wie ich in einer Haus­halts­re­de als Fil­der­städ­ter Stadt­rat bereits Mit­te der 1990er-Jah­re S 21 zum The­ma gemacht und für ein Ende des Pro­jek­tes gewor­ben hat­te.

Wir Grü­ne haben im Akti­ons­bünd­nis mit­ge­ar­bei­tet. Im Vor­feld der Volks­ab­stim­mung hat­ten wir aktiv, mit hohem finan­zi­el­lem wie per­so­nel­lem Ein­satz, für das „Ja“ zum Aus­stieg des Lan­des aus dem Finan­zie­rungs­ver­trag gewor­ben. Lei­der ging die­se sehr wich­ti­ge Abstim­mung für uns ver­lo­ren.

Wes­halb bezie­hen sich die Grü­nen immer wie­der auf die Volks­ab­stim­mung?

Als die Land­tags­wahl im Jahr 2011 eine Mehr­heit für Grü­ne und SPD erbrach­te, stan­den die unter­schied­li­chen Mei­nun­gen zu Stutt­gart 21 einem gemein­sa­men Regie­rungs­bünd­nis im Wege. Als Aus­weg wur­de die Volks­ab­stim­mung in die Wege gelei­tet. Bei­de Par­tei­en waren sich einig und ver­spra­chen sich gegen­sei­tig und der Öffent­lich­keit, das Votum, soll­te es auch knapp aus­ge­hen oder die Wahl­be­tei­li­gung gerin­ger aus­fal­len als erhofft, ohne Wenn und Aber zu akzep­tie­ren.

Es wur­de über den Lan­des­an­teil in Höhe von knapp 931 Mil­lio­nen Euro abge­stimmt. Unse­re, gemein­sam mit dem Akti­ons­bünd­nis und unzäh­li­gen loka­len Bünd­nis­sen vor­ge­tra­ge­nen Argu­men­te hat­ten lei­der kei­ne Mehr­heit über­zeugt. Das Votum ist fürs Land bin­dend.

Da sowohl Grün-Rot wie auch Grün-Schwarz den Finan­zie­rungs­ver­trag so deu­te­ten bzw. deu­ten, dass sich dar­aus ein Kos­ten­de­ckel able­sen lässt und die­se Les­art wur­de in bei­den Koali­ti­ons­ver­trä­gen fest­ge­schrie­ben und früh­zei­tig und mehr­fach der Deut­schen Bahn über­mit­telt wur­de, ist auch heu­te noch von einem Lan­des­an­teil von den besag­ten knapp 931 Mil­lio­nen Euro aus­zu­ge­hen. Das Land wird sich an kei­nen Kos­ten­stei­ge­run­gen für das Pro­jekt, wie es im Finan­zie­rungs­ver­trag defi­niert wur­de, betei­li­gen. Die Deut­sche Bahn will ihre davon abwei­chen­de Auf­fas­sung recht­lich klä­ren las­sen.

Lässt sich Stutt­gart 21 noch stop­pen?

Das Pro­jekt ist so gestrickt, dass ein Aus­stieg inzwi­schen recht­lich und tech­nisch nicht  mehr rea­lis­tisch umsetz­bar ist. Die betei­lig­ten Pro­jekt­part­ner Deut­sche Bahn, Land, Lan­des­flug­ha­fen Stutt­gart, Ver­band Regi­on Stutt­gart und die Lan­des­haupt­stadt Stutt­gart haben zudem unter­schied­li­che Inter­es­sen und bereits jede noch so klei­ne Ände­rung bedarf der Ein­stim­mig­keit aller Pro­jekt­part­ner. So liegt das Haupt­in­ter­es­se der Stadt Stutt­gart dar­in, so schnell wie mög­lich die mas­si­ven Ein­schrän­kun­gen ihrer Bür­ge­rin­nen und Bür­ger durch die Groß­bau­stel­le zu über­win­den und das Gleis­vor­feld im ver­trag­lich fest­ge­hal­te­nen Umfang für eine Über­pla­nung frei zu bekom­men. In kei­nem der demo­kra­tisch gewähl­ten Gre­mi­en der Pro­jekt­part­ner gab es jemals auch nur ansatz­wei­se eine Mehr­heit für die Been­di­gung des Pro­jek­tes. Eine sol­che Mehr­heit gab es auch nicht im Jahr 2012/2013 bei der Kos­ten­stei­ge­rung von 4,5 auf 6,5 Mil­li­ar­den Euro, als das Pro­jekt noch nicht so weit fort­ge­schrit­ten war wie heu­te. Es war ein schwe­rer Feh­ler, dass das Pro­jekt nicht spä­tes­tens damals auf Initia­ti­ve der Deut­schen Bahn und des Bun­des gestoppt wur­de.

Außer­dem rächt es sich, dass S 21 immer als “alter­na­tiv­los” betrach­tet wur­de. Es gibt also kei­ne Alter­na­ti­ve, mit deren Bau ohne lang­jäh­ri­ge Pla­nungs­pha­sen begon­nen wer­den könn­te.

Der Blick auf die­se trau­ri­gen Rea­li­tä­ten macht deut­lich, dass ein Aus­stieg nicht rea­lis­tisch ist. Ich set­ze mei­ne Kraft nun dafür ein, vor dem Hin­ter­grund der nicht vor­han­de­nen Deutsch­land­takt-Fähig­keit des Bahn­kno­tens Stutt­gart bei der Kapa­zi­täts­fra­ge nach­zu­bes­sern. Da lässt sich nach mei­ner Über­zeu­gung noch am ehes­ten etwas bewe­gen. Es geht dar­um, die Rea­li­tä­ten zu sehen und das zu tun, was jetzt noch mach­bar ist. Man wird nichts bewe­gen, wenn man nur gegen das Pro­jekt schießt. Man kann aber etwas errei­chen, wenn man für Ände­run­gen strei­tet. In der Poli­tik muss man immer wie­der hin­ter­fra­gen, wofür man sei­ne Kräf­te ein­setzt. Das macht man am bes­ten dort, wo noch Ver­än­de­run­gen mög­lich erschei­nen.

Kann Stutt­gart 21 jemals funk­tio­nie­ren?

Stutt­gart 21 wird nie so wer­den, wie es sein könn­te, wenn man von Anbe­ginn an ver­nünf­tig, näm­lich nach fach­li­chen Kri­te­ri­en, geplant hät­te. Aber wir wol­len ver­su­chen, wenigs­tens die gra­vie­rends­ten Män­gel zu behe­ben oder zumin­dest zu lin­dern. Dafür braucht es Mehr­hei­ten und eine ver­läss­li­che Finan­zie­rung.

Ein “gutes Ende” kann es nicht mehr geben. Aber viel­leicht ein Ende, das nicht mehr ganz so gro­ße Defi­zi­te auf­weist wie das, was gera­de gebaut wird. Eini­ge Ver­bes­se­run­gen sind beschlos­sen, so an der Rohrer Kur­ve. Ande­re befin­den sich in der Dis­kus­si­on, so für zusätz­li­che Kapa­zi­tä­ten in der Stadt­mit­te.

Wir müs­sen ver­mei­den, dass Stutt­gart 21 zum Kol­laps des Schie­nen­ver­kehrs führt. Die­se Dis­kus­sio­nen und Ent­schei­dun­gen für grö­ße­re Kapa­zi­tä­ten zu Guns­ten des Fern- und Regio­nal­ver­kehrs sowie die S‑Bahn Stutt­gart brau­chen wir genau­so wie die Klä­rung der Finan­zie­rung durch die Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me des Bun­des. Es gilt zu ver­hin­dern, dass die stei­gen­den Mehr­kos­ten den bun­des­ei­ge­nen Bahn­kon­zern dazu zwin­gen, für ande­re und dies­mal sinn­vol­le Pro­jek­te die not­wen­di­gen Inves­ti­tio­nen zu unter­las­sen.

Wird der Tief­bahn­hof von Stutt­gart 21 über­haupt eine Betriebs­ge­neh­mi­gung erhal­ten?

Die Sor­ge um die Ertei­lung einer Inbe­trieb­nah­me-Geneh­mi­gung habe ich nicht. Das ist eine Fra­ge der Auf­la­gen auf­grund von Brand­schutz, Ent­fluch­tung und Gleis­nei­gung. Die­se wie­der­um kön­nen aber die Kapa­zi­tät beein­flus­sen und zum Pro­blem wer­den. Auch des­halb ist es so wich­tig, Lösun­gen für die Kapa­zi­täts­fra­gen in Stutt­gart und ent­lang der Zulauf­stre­cken zu fin­den.

 

Wei­ter­füh­ren­de Links

Gedan­ken zu Stutt­gart 21 (2014): https://www.matthias-gastel.de/artikel/mein-engagement-dagegen-und-die-volkabstimmung/

Die „kri­ti­sche Beglei­tung“ mit Leben gefüllt (Über­sicht über par­la­men­ta­ri­sche Initia­ti­ven): https://www.matthias-gastel.de/die-kritische-begleitung-von-stuttgart-21-geht-weiter/#.WnAG6U2ovIU