Umfrage in der Region
Corona beherrscht seit einem halben Jahr gesellschaftliche und politische Debatten. Dabei wird immer wieder behauptet, kritische Stimmen würden nicht gehört. Doch was sagen Fachleute aus der Medizin, deren Namen im Gegensatz zu Drosten, Wieler und Kekulé kaum jemand kennt? Ich habe mich umgehört.
Ich habe mit weitgehend nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Ärzten und Pflegefachkräften aus Kliniken meines Wahl- und meiner Betreuungskreise gesprochen, um deren Einschätzungen einzuholen. Dabei habe ich Fragen gestellt, mit denen ich in Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern und Mails aus der Bevölkerung am häufigsten konfrontiert werde. Das Ergebnis vorweg: Es gibt keinen für mich als medizinischen Laien erkennbaren größeren Dissens. Alle raten, das Virus ernst zu nehmen und stehen weitgehend hinter den beschlossenen Maßnahmen zur Eingrenzung der Ausbreitung des Corona-Virus (der Einfachheit halber ist immer von „Corona“ die Rede). Meine Gesprächspartner waren Dr. Lutz Zabel (Virologe und Chefarzt in der Alb-Fils-Klinik), Dr. Jörg Sagasser (medizinischer Direktor) und Dr. Susanne Elsner (Virologin, beide medius KLINIKEN, Kliniken Nürtingen/Kirchheim) sowie Prof. Guy Arnold (Chefarzt Neurologie im Klinikverbund Südwest, Kreiskliniken Böblingen/Calw). Die Gespräche fanden zwischen Juli und September statt. Da sich die Gespräche um weitgehend identische Fragestellungen gedreht hatten, gebe ich die Ergebnisse entsprechend zugeordnet wieder. Nicht berücksichtigt werden hier das öffentliche Videogespräch mit dem Freiburger Infektiologen Prof. Winfried Kern (siehe https://www.matthias-gastel.de/mit-infektiologe-prof-kern-im-oeffentlichen-dialog/) und das Gespräch mit der Filderklinik (siehe hier https://www.matthias-gastel.de/besuch-in-der-filderklinik/). Das, was ich dort an Erfahrungen und Einschätzungen hören konnte, deckt sich jedoch weitgehend mit dem, was ich hier über die anderen Gespräche in Kürze wiedergebe.
Ist Corona gefährlicher als die Grippe?
Die Frage lässt sich offenbar nicht pauschal mit „Ja“, schon gar nicht jedoch mit „Nein“ beantworten. Vielmehr wurde darauf verwiesen, dass es gegen die Grippe einen Impfstoff gibt, während kaum jemand gegen das Corona-Virus immun sei. Die Grippe sei besser beherrschbar. Auch auf die noch unklaren Langzeitfolgen von Coronaerkrankungen wurde verwiesen. Die Corona-Viren seien außerdem leichter übertragbar.
Mir wurde berichtet, dass durch Corona ausgelöste Lungenentzündungen zu besonders starken Schädigungen des Lungengewebes geführt hätten, die bei anderen Viruserkranken untypisch seien.
Wie wird das gegenwärtige Infektionsrisiko eingeschätzt? Besteht das Risiko einer zweiten Welle?
Alle gingen von einem steigenden Infektionsrisiko aus. Als Hauptfaktoren wurden übereinstimmend eine zunehmende Lässigkeit beim Infektionsschutz und die zunehmenden Reiseaktivitäten sowie die Wiederzulassung größerer Veranstaltungen genannt.
Bei der Frage nach der Wahrscheinlichkeit einer „zweiten Welle“ waren die Gesprächspartner*innen eher vorsichtig in ihren Einschätzungen, was auf die Unschärfe des Begriffs zurückzuführen sein dürfte. So gab es beispielsweise die Einschätzung, dass Menschen in Altenheimen inzwischen besser geschützt seien als noch im Frühjahr und bei (weiter) steigenden Infektionszahlen relativ gesehen weniger Tote zu beklagen sein könnten. Man sei in den Kliniken insgesamt besser auf schwere Erkrankungen vorbereitet. Es gab aber auch den Hinweis, dass das Pflegepersonal möglicherweise kein zweites Mal bereit wäre, in derart großem Umfang Überstunden zu leisten wie im März und April. Damals sei oftmals 12 Tage hintereinander gearbeitet worden, bis ein freier Tag folgte. Diese Leistungen seien nicht anerkannt worden. Beispielsweise habe es Prämienzahlungen nur für Pflegekräfte in der Altenpflege gegeben.
Ist die Maskenpflicht hilfreich, um das Übertragungsrisiko zu minimieren?
Hier herrschte absolute Einigkeit: Ja! Die Aussagen hierzu lauteten bspw. „Damit steht und fällt, ob es eine zweite Welle geben wird“ und „Dies ist eine der wenigen Maßnahmen, die wirken“ oder „Damit sinkt auch das Risiko, an anderen Infektionskrankheiten zu erkranken“.