Gespräch mit Meteorologe Sven Plöger
Gemeinsam mit meiner Fraktionskollegin Sylvia Kotting-Uhl hatte ich zu einem öffentlichen Videogespräch mit dem Meteorologen Sven Plöger, bekannt durch seine Wettervorhersagen in Funk und Fernsehen, eingeladen. Es ging um die Entwicklung des Klimas und die menschlichen Einflüsse auf die Beschleunigung dieser Veränderungen. Das Interesse an der Veranstaltung war groß.
Grundlagen
Zunächst erläuterte Plöger den Unterschied zwischen „Wetter“ und „Klima“. Klima sei das über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren gemittelte Wetter an einem Ort. Das Klima, so Plöger, verändere sich global in rasantem Tempo, das es so bei Erwärmungen oder Abkühlungen in der Vergangenheit nicht gegeben habe. Mit rein natürlichen Prozessen sei die Geschwindigkeit der Veränderung nicht erklärbar. Darin seien sich 99 Prozent der Wissenschaftler einig. Der maßgebliche Einfluss des Menschen sei in der Wissenschaft fast ausnahmslos unstrittig. Beim Klimawandel gehe es darum, die Anpassungsfähigkeit von Pflanzen und Tieren nicht überzustrapazieren, indem man zu schnelle Veränderungen zulasse. Sonst würde man den „Kipppunkt“ erreichen, an dem das Klimasystem immer unberechenbarer und gefährlicher werde. Dass man die weitere Erwärmung des Globus nicht verhindern könne sei klar. Die Gewichtung zwischen Vermeidung und Anpassung liege zwischen der Einsicht, eine weitere Erwärmung nicht vollständig verhindern zu können und der Ahnung, dass wir ausschließlich auf Anpassung zu setzen nicht bezahlen könnten. Dafür stehe das „1,5 Grad-Ziel“, für das die Menschheit noch 10 Jahre Zeit hätten, um die Treibhausgas-Emissionen deutlich zu reduzieren. Um zu verdeutlichen, was einige Grad Temperaturunterschied bedeuten, blickte Plöger 11.000 Jahre zurück auf die letzte Kaltzeit. Damals sei es vier Grad kälter gewesen. Der Norden Europas habe unter einer zwei bis drei Kilometer dicken Eisschicht gelegen und auch der Nordosten Deutschlands sei von Eis bedeckt gewesen. Der Meeresspiegel habe 120 Meter tiefer gelegen. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts könne das Klima den gleichen Temperatursprung machen, nur diesmal nach oben und statt in 11.000 in rund 100 Jahren. Seit Beginn der regelmäßigen Wetteraufzeichnung im Jahr 1881 sei die Temperatur in Deutschland um 1,4 Grad gestiegen. 2015 bis 2019 seien seither die wärmsten Jahre gewesen. Seit 2018 seien 26 der 36 Monate zu trocken gewesen.
Einfache physikalische Effekte würden die Erwärmung beschleunigen: Wo beispielsweise Eis geschmolzen sei, kämen dunklere Flecken zum Vorschein, die – anders als das weiße Eis – das Sonnenlicht nicht reflektieren, sondern sich schneller erwärmen würden, wodurch auch das umliegende Eis schmelze.
Die Faktoren
Ein natürlicher Treibhausgaseffekt sorge in großen Teilen unserer Erde für bewohnbare Temperaturen. Die durchschnittliche Erdoberflächentemperatur betrage knapp plus 15 Grad. Das mengenmäßig wichtigste Treibhausgas sei Wasserdampf, gefolgt von Kohlendioxid (CO 2), das seit der Industrialisierung um 50 Prozent zugenommen habe. Die Treibhausgase würden darüber entscheiden, wie viel Sonnenstrahlung die Erde erreicht. Während wir den beim Wasserdampf die atmosphärische Konzentration gar nicht beeinflussen könnten, sei Chlor über die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) alleine durch uns Menschen in die Atmosphäre gelangt. Die Treibhausgase wirkten unterschiedlich stark, kämen aber auch in unterschiedlichen Mengen vor. So seien Methan und FCKW deutlich klimawirksamer als CO 2, aber die riesigen durch uns Menschen erzeugten Mengen würden das CO 2 zu zwei Dritteln für den menschlich verursachten Anteil an der Klimaerwärmung verantwortlich machen.
Auswirkungen der Erderwärmung
Je nach Szenario (aufbauen auf unterschiedliche Konzentrationspfaden der Treibhausgase) könne es bis zum Ende des Jahrhunderts global um durchschnittlich 1 bis fünf Grad wärmer werden, so Plöger. Der Meeresspiegel werde dann um 26 bis 82 Zentimeter ansteigen. Während es in der Sahelzone und im Mittelmeerraum immer trockener würde und in einigen Regionen die Anbauflächen für Lebensmittel deutlich schrumpfen würden, würden in Deutschland Sommerniederschläge ab- und Winterniederschläge zunehmen. Besonders stark seien die Wälder, und hier wiederum vor allem die Regenwälder, betroffen. Dort werde der Wasserkreislauf gestört und die Wälder könnten allmählich vertrocknen. Bei den Stürmen gebe es verschiedene Formen. Bei Sturmböen im Zusammenhang Sommergewittern könne man sicher eine Zunahme absehen.
Umgang mit Behauptungen der Klimaforschungsignoranten
Auf einige der immer wieder kehrenden Behauptungen derjenigen, die die Ergebnisse der Klimaforschung „in den Wind schlagen“, wurde oben bereits eingegangen. Insbesondere, und darauf müsse immer wieder hingewiesen werden, gehe es um das bisher nicht bestandene Tempo, mit dem sich das Klima verändere, seit die Menschen in großen Mengen fossile Energieträger verfeuern. Der Mensch, so Plöger, sei der beschleunigende Faktor. Eine andere Behauptung einiger Ignoranten lautet, die Sonne habe ihre Aktivitäten verstärkt. Dem widerspricht Plöger. Zwar unterlägen die Aktivitäten der Sonne Schwankungen. Um den aktuellen Temperaturanstieg jedoch energetisch zu erklären, seien rund drei Watt pro Quadratmeter erforderlich. Das könne die Sonne, deren Aktivitäten seit den 1980er-Jahren zurückgingen, nicht leisten. „0,04 Prozent CO 2 in der Atmosphäre“ können keinen Klimawandel verursachen“, ist ebenfalls immer wieder zu hören. Plöger weist darauf hin, dass es nicht alleine auf die Menge, sondern auf die Wirkung ankomme. Das „Ozonloch“ sei von FCKW ausgelöst worden, das in rund einer halben Million Mal geringeren Mengen vorhanden gewesen sei.
Die Handlungsfelder
Deutschland sei beim Ausstoß von CO2 weltweit auf Platz 2 (Anteil 2 Prozent aller CO 2‑Emissionen). Jedes Land könne für sich proklamieren, keine dominierende Rolle zu spielen und damit ein Nichthandeln begründen. Pro Kopf liege Deutschland vor den Chinesen. In Deutschland werde vor allem „eine gute Klimarhetorik“ betrieben, so Plöger. Er setzte sich aber auch mit den Schwierigkeiten auseinander, vor denen eine gute Klimapolitik stehen würde: „Veränderungen sind immer mit der Angst der Menschen, dass das eigene Leben schlechter werden könnte, verbunden.“ Als konkrete Handlungsfelder haben wir die Bereiche Landwirtschaft/Ernährung („Wir kochen billiges Essen in teuren Küchen“) und Verkehr angesprochen. Auch die Bedeutung der Moore als „CO 2‑Senken“ wurde von ihm erläutert.
Im internationalen Klimaschutz setzt er auf den neuen US-Präsidenten, aber auch auf Deutschland als Zugpferd: „Wir haben nicht zwei Erden!“
Hinweis: Dieser Text entstand aus Informationen aus dem Buch „Zieht euch warm an, es wird heiß“ von Sven Plöger und aus Mitschrieben aus der Veranstaltung.