Drei Tage wanderte ich durch die Region Esslingen und Göppingen. Entlang meines Weges führte ich an insgesamt 13 interessanten Stationen Gespräche. Je nach Abschnitt war ich mal alleine und mal in Begleitung grüner Freundinnen und Freunde unterwegs. Übernachtet habe ich in Hotels.
Erster Tag
Die Wanderung begann in Esslingen. Dort besuchte ich gemeinsam mit der Landtagsabgeordneten Andrea Lindlohr die Ökokontrollstelle ABCERT. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Esslingen zertifiziert ökologisch erzeugte Lebens- und Futtermittel. Über 7.000 landwirtschaftliche Betriebe und 3.000 verarbeitende Unternehmen werden von diesem auf die Einhaltung von Standards wie von Bioland und Demeter überprüft. Mit einem Marktanteil von 25 Prozent ist ABCERT Marktführer in Deutschland. Das Prüfunternehmen beschäftigt 80 festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, überwiegend Landwirtschaftsingenieure und Lebensmitteltechniker. Die Vorortkontrollen der Bauernhöfe sowie der Lebensmittel verarbeitenden Unternehmen erfolgen einmal jährlich und werden durch unregelmäßige, unangemeldete Überprüfungen ergänzt. Dabei geht es um die Einhaltung der Standards und damit um Verbraucher‑, Umwelt- und Tierschutz. In Sachen Tierschutz sehen die Prüfer übrigens Handlungsbedarf. Insbesondere der Geflügelbereich sei unter Tierschutzaspekten eine besondere Herausforderung.
Der Weg führte mich weiter zum im Jahr 2011 in Betrieb gegangenen Wasserkraftwerk der EnBW am Landratsamt. Dort ließ ich mir die beiden Turbinen zeigen und die technischen Zusammenhänge erläutern. Durch die Kraft des Wassers wird der Strombedarf von etwa 2.000 Durchschnittshaushalten umweltfreundlich gedeckt. Momentan jedoch läuft das Kraftwerk wegen des Niedrigwassers weit unter seinen Kapazitäten. Ausgelegt ist es auf 30 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Nach nur spärlichen Regenfällen trieben zum Zeitpunkt meines Besuchs nur sechs Kubikmeter Wasser die Turbinen an.
Weiter ging es zur Bioland-Bäckerei Stumpp in Deizisau. Die Traditionsbäckerei und ‑konditorei stellte vor zehn Jahren auf Bioqualität um. Die Umstellungszeit war schwierig. Einige der alten Kunden brachen weg. Bis neue Kunden gewonnen werden konnten verging einiges an Zeit. Was ist der Unterschied zum herkömmlichen Backgewerbe? Ein Beispiel: Beim konventionellen Dinkel wird Weizen eingezüchtet. Der Bio-Dinkel hingegen ist nicht nur 100%ig Bio, sondern auch 100%ig Dinkel. Hoffentlich wissen das alle Menschen, die unter Allergien leiden! Allerdings, so erzählt mir der Chef, wird Bio-Dinkel hin und wieder knapp. Letztes Jahr musste er sein Angebot deswegen reduzieren. Interessant finde ich auch, dass vegane Kuchen und Torten hergestellt werden – und zunehmend nachgefragt werden. Die Vermarktung der Backerzeugnisse erfolgt im (noch) einzigen Laden, durch die Belieferung von Reformläden sowie sehr erfolgreich auf Wochenmärkten.
Abends durfte ich mich bei der Vorlandpflege am Umweltzentrum in Plochingen austoben. Mit einem Balkenmäher ging es dem Gras entlang des Neckars an den Kragen. Der Tag klang gemütlich aus – beim Grillen mit ehrenamtlichen NaturschützerInnen.
Zweiter Tag
Der zweite Tag begann damit, dass ich mich im Wald zwischen Plochingen und Hochdorf kräftig verlaufen habe. Dadurch geriet der Zeitplan aus den Fugen.
Mein politischer Teil des Tages begann auf einem abgelegenen Ziegenhof in Hochdorf. Die Halterin, eine Grünen-Gemeinderätin, hält dort 50 Ziegen, die im Nebenerwerb gehalten werden. Die Ziegen können tagsüber jederzeit zwischen Stall und Freibereich hin und her wechseln – was sie während meines Besuches rege genutzt haben. Ich durfte bei der Fütterung der Tiere mithelfen. Auf dem Speiseplan standen Lupinen. Zum Hof gehört eine eigene Käserei. Der Käse wird auf dem Wochenmarkt und in verschiedenen Hofläden vertrieben. Die Standards orientieren sich an denen von Bioland, wobei eine Zertifzierung fehlt.
Nach Überschreiten der Landkreisgrenze stand der Besuch eines zweiten Ziegenhofes auf dem Programm. In Ebersbach-Weiler (1.000 EinwohnerInnen, Landkreis Göppingen) hält sich ein junges Paar rund 30 Ziegen. Jedes Tier hat einen Namen (den aber nur die Jungbäuerin weiß). Außerdem gibt es vier Schweine, die für die Verwertung der Molkereste „zuständig“ sind sowie einige Rinder. Dieser Hof ist Bioland angeschlossen und verfügt ebenfalls über eine eigene Käserei. Ein Großteil des leckeren Ziegenkäses wird im eigenen Hofladen verkauft. Auch dieser Hof wird im Nebenerwerb betrieben – was sich aber ändern soll. Als Problem wird mir der fehlende Vertriebsweg für Bio-Ziegenfleisch erläutert.
Auf dem weiteren Weg lagen ein Bannwald und bei Ebersbach das Polen-Mahnmal, das an einen von den Nazis hingerichteten Zwangsarbeiter erinnert. Dort haben wir Blumen abgelegt. Entlang mehrerer kleiner Seen ging es nach Ebersbach hinunter.
Das Kleinwasserkraftwerk von „Eberkraft“ entstand durch sechs Idealisten, von denen uns einer die Technik erläuterte und zeigte. Die 1,2 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr versorgen rund 300 Haushalte. Die Fallhöhe liegt bei 3,40 Meter und die Kapazität bei acht bis neun Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Am Besuchstag waren es nach Wochen mit extrem wenig Regen nur 1,5 Kubikmeter. Ein besonderes Erlebnis war es, über eine acht Meter lange Treppe in den Turbinenraum, der sich unter der Fils befindet, zu steigen. Neben zahlreichen Fischen, die sich rund um das Wehr tummeln (für die Fische gibt es eine moderne Fischtreppe), durften wir einen vorbeifliegenden Eisvogel bewundern.
Dritter Tag
Entlang der Fils wanderte ich am Morgen von Ebersbach nach Uhingen. Dort traf ich mich mit mehreren Leuten im Mühlenladen, einem Reformladen mit überwiegend konventionellen Produkten. Wir diskutierten mit dem Inhaber über veränderten Verbraucherverhalten und das insgesamt gestiegene Gesundheitsbewusstsein. Der Inhaber betreibt auch ein Kleinwasserkraftwerk an der Fils, das wir im Anschluss besichtigten. Es weist ähnliche Merkmale auf wie das zuvor beschriebene in Ebersbach.
Durch die Mittagshitze, die das Thermometer auf deutlich über 30 Grad springen ließ, führte uns der Weg nach Göppingen-Jebenhausen. Dort besuchten wir die Behindertenwerkstätte der Lebenshilfe. Die Lebenshilfe betreibt neben den Werkstätten an vier Standorten im Landkreis Wohnheime sowie einen Sonderschulkindergarten und eine integrative Kita. Die fünf Werkstätten u. a. mit den Bereichen Holz- und Metallverarbeitung mit ihrem Förderbereich und mit ihrem Bio-Hof bieten 600 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung. Diese werden von über 100 qualifizierten Fachkräften angeleitet und unterstützt. 150 Unternehmen beziehen Produkte der Werkstätten. Mit steigender Tendenz werden Außenarbeitsplätze direkt in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes eingerichtet. Übernahmen durch diese Betriebe bleiben aber leider die Ausnahme. Die Werkstätten beschäftigen überwiegend Menschen mit geistiger Behinderung, in einer Werkstatt aber auch psychisch erkrankte Menschen. Als Probleme wurden von der Heimleitung die unzureichende Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowie der Fachkräftemangel (insbesondere Pflegefachkräfte) genannt.
Das offizielle Ende fand meine Wanderung am Bahnhof in Göppingen. Dort ließ ich mir vom zuständigen Bürgermeister das Fahrrad-Parkhaus im Bahnhofsgebäude zeigen. 80 Anlehnbügel, 30 verschließbare Boxen zur Dauermiete sowie zehn tagesweise zu mietende Boxen, letztere mit Ladeanschluss für E‑Bikes, sind im Bahnhofgebäude untergebracht. Die Kapazität ist weitgehend ausgeschöpft. Zwei Mal täglich wird das Fahrrad-Parkhaus, wie auch der Bahnhofsteg, vom städtischen Betriebshof gereinigt; nachts ist das Gebäude, wie der gesamte Göppinger Bahnhof, abgeschlossen. Vorgesehen sind der Aufbau einer Pedelec-Verleihstation (Eröffnung im Herbst) sowie die Neugestaltung des Bahnhofplatzes. Der Bürgermeister sprach daher von einer sich entwickelnden „Mobilitätsdrehscheibe“ am Bahnhof. Handlungsbedarf wird beim Bahnhofsgebäude gesehen, das den Charme der 1960er-Jahre ausstrahlt.
In gemütlicher Runde klangen der Tag und meine Drei-Tages-Wanderung in einem Café aus.