06.01.2023
Analyse und Ausblicke
Der Bahnbetrieb auf der Strecke Stuttgart – Tübingen erweist sich nach wie vor als nicht ausreichend zuverlässig. Nachfolgend habe ich mir zusammen mit meinem Fachbüro die Verspätungen genauer angeschaut. Zudem schaue ich auf geplante und darüber hinaus notwendige Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur.
Analyse Pünktlichkeit Strecke Stuttgart – Tübingen mit Daten der DB
Die von der DB erhobenen Daten beziehen sich auf die Pünktlichkeitsdefinition der DB. Demnach ist ein Zug pünktlich, wenn die tatsächliche Abfahrtszeit weniger als 5 Minuten und 59 Sekunden von der geplanten Abfahrtszeit abweicht. Die NVBW bezieht die Pünktlichkeit auf die Grenze 3 Minuten und 59 Sekunden. In diesem Dokument folgen die Daten nach der Definition der DB. Die Daten beziehen sich auf den Zeitraum von Juni bis August 2022.
Pünktlichkeitsquoten auf der Neckar-Alb-Bahn
Linie | Richtung | Quote |
Gesamtverkehr | Stuttgart | 80,3% |
Tübingen | 71,1% | |
RB 18 (SWEG) | Stuttgart | 79,6 % |
Tübingen | 69,4 % | |
RE 12 (SWEG) | Stuttgart | 86,2 % |
Tübingen | 83,4 % | |
IRE 6 (DB Regio) | Stuttgart | 63,7 % |
Aulendorf | 80,2 % |
Analyse der Quoten
Die Quoten zeigen, dass lange Regionalverkehrslinien tendenziell mehr Verspätung haben als kürzere Linien. Auf der Neckar-Alb-Bahn haben die Züge (RE12 und RB18) in Richtung Tübingen eine schlechtere Pünktlichkeitsquote als in Richtung Stuttgart. Dies liegt daran, dass der Abschnitt Stuttgart-Tübingen am Ende der Linie liegt und somit bereits auf dem nördlichen Linienlaufweg Verspätung gesammelt werden kann, die dann auf die letzten Kilometer mitgenommen wird. Trotzdem ist die Pünktlichkeitsquote in Richtung Stuttgart weiterhin schlecht, auch wenn die Linie erst in Tübingen beginnt. D.h. es wird oft Verspätung auf die Gegenleistung übertragen bei der Wende in Tübingen. Die Linie RB18 weist einen schlechteren Wert auf als die Linie RE12. Dies liegt sehr wahrscheinlich am längeren Laufweg dieser Linie und stattfindenden Zugüberholungen durch den schnelleren RE. Die hohe Zugdichte auf der Neckar-Alb-Bahn und im Knoten Stuttgart sorgt dafür, dass Züge im Verspätungsfall oft andere Züge vorlassen müssen und somit zusätzliche Verspätungen entstehen.
Der IRE hat in Richtung Stuttgart besonders oft Verspätung. Dies ist sehr wahrscheinlich auf die Eingleisigkeit der Zollern-Alb-Bahn zurückzuführen und die doch hohe Verkehrsbelastung auf dieser Strecke. Zugkreuzungen müssen abgewartet werden und Verspätungen übertragen sich leicht auf andere Züge. Zudem besitzt diese Linie einen langen Laufweg und wird in Tübingen mit einem anderen Zugteil vereinigt. Dabei entstehen zusätzliche Abhängigkeiten im Betriebsablauf, welche sich negativ auf die Pünktlichkeit auswirken können.
Bewertung der Quoten
Alle hier genannten Pünktlichkeitsquoten befinden sich weit unter dem angestrebten Zielwert von 90% und sind für Nahverkehrslinien äußerst schlecht.
Das Qualitätsranking von bwegt enthält für das erste Halbjahr 2022 die Pünktlichkeitsquoten (bezogen auf < 3 Minuten 59 Sekunden) für die einzelnen Netze in Baden-Württemberg. Hier belegt das Netz „Neckartal“ (RE10, RE12, RB17, RB18, IRE6) mit einer Pünktlichkeitsquote von 78,14 % den 24. Platz von 29 Netzen. Die durchschnittliche Pünktlichkeit der Züge betrug im 1. Halbjahr 2022 86,06%.
Zusammenfassung
Die Neckar-Alb-Bahn weist im Vergleich mit anderen Strecken in Baden-Württemberg eine sehr schlechte Pünktlichkeitsquote auf. Die Zielwerte von 90% Pünktlichkeit werden weit verfehlt. Dies ist nicht akzeptabel und es müssen dringend Ausbauten an der Infrastruktur getätigt werden, damit Verspätungen abgebaut werden können. Zudem müssen im Fahrplan genügend Pufferzeiten an wichtigen Knotenpunkten und an den Endbahnhöfen eingebaut werden, damit entstandene Verspätungen leichter abgebaut werden können und sich nicht mehr auf die Rückfahrt übertragen.
Zudem kommen bis 2025 die Fernzüge im Abschnitt Wendlingen-Plochingen dazu. Die Erfahrungen der ersten Betriebstage der SFS Wendlingen-Ulm zeigen, dass oft die Regionalzüge der Neckar-Alb-Bahn und die S‑Bahnen auf den Fernverkehr warten müssen bis dieser den Abzweig in Wendlingen auf die neue Strecke passiert hat. Dadurch entstehen zusätzliche Verspätungen, welche sich negativ auf die Betriebsqualität der Linien und den Bahnknoten Stuttgart auswirkt. Desweiteren ist der knappe Umstieg in Wendlingen auf den IRE in Richtung Ulm gefährdet, wenn der Zug aus Stuttgart stark verspätet ist. Es ist unwahrscheinlich, dass der IRE lange auf den RE aus Stuttgart wartet, da der IRE sich in das Gefüge auf der SFS einpassen muss, um die ICE nicht zu verspäten.
Daher ist eine Erhöhung der Pünktlichkeit der Züge auf der Neckar-Alb-Bahn dringend angebracht.
Was zu tun ist – was vorgesehen ist
Unbedingt angegangen werden muss die Ertüchtigung der Strecke, also die Anpassung an die gestiegene Anzahl der Züge, die diese nutzen. Hierbei ist auf den Azusbau im Bestand mit überwiegend kleineren, verhältnnismäßig schnell umsetzbaren Maßnahmen zu setzen. Diese hatte ich in verschiedenen Veranstaltungen, teils unter Beteiligung der Deutschen Bahn, bereits herausgearbeitet (siehe nachfolgende Links). In einer aktuellen Maßnahmenliste der Deutschen Bahn sind zwei konkrete Maßnahmen vorgesehen: Eine zusätzliche Weichenverbindung in Bad Cannstatt und eine Blockverdichtung bei Bempflingen. Vor zwei Jahren habe ich dazu schon auf meiner Homepage festgehalten: „Auf dem fast 14 Kilometer langen Abschnitt zwischen Metzingen und Nürtingen gibt es nur ein Blocksignal im Bereich des ehemaligen Haltepunkts Neckartailfingen. Dies führt zu langen Belegungszeiten und schränkt dadurch die Kapazität der Strecke ein. Im Falle einer Signalstörung muss im Extremfall bis zu neun Kilometer, nämlich bis zum nächsten Signal, auf mit maximal 40 Stundenkilometer, gefahren werden. Lösung: Einbau von weiteren Blocksignalen zur Verkürzung des Abschnitts.“
Aus meiner Sicht handelt es sich um richtige und wichtige, leider aber nicht ausreichende Maßnahmen, um den Bahnverkehr pünktlicher zu machen. Ich weise beispielhaft auf eine weitere Analyse und Forderung hin, die auf meiner Homepage zu finden ist: „Auf dem 13,4 Kilometer langen Abschnitt zwischen Tübingen und Reutlingen gibt es keine Überleitstellen. So ist ein Überholen langsamerer oder liegengebliebener Züge nicht möglich. Eine Überleitmöglichkeit etwa auf Höhe Wannweil/Kirchentellinsfurt würde für eine Entspannung sorgen.“
Voraussichtlich am 03. Februar werde ich im Rahmen einer öffentlichen Videokonferenz mit der Deutschen Bahn erörtern, welche Maßnahmen vorgesehen sind, welche Wirkungen davon zu erwarten sind und welche infrastrukturellen Maßnahmen darüber hinaus sinnvoll sein können.
Weiterführende Informationen über die Infrastruktur und meine Aktivitäten: