Vier Wochen im Bundestag – Bericht von Maximilian Gleich
Es ist Sommer 2023, der CO2-Gehalt in der Atmosphäre steigt auf besorgniserregende 424 ppm, Friedrich Merz erklärt die Grünen zum „Hauptgegner“ und 20 Prozent der Deutschen entdecken den Rechtspopulismus für sich.
In dieser politisch angespannten Zeit hatte ich das Glück, Matthias Gastel kurzfristig als Praktikant bei seiner Arbeit im Bundestag vier Wochen lang begleiten und unterstützen zu dürfen.
Da ich der einzige im Team war, dessen bisherige Auseinandersetzungen mit dem Verkehrssektor nicht akademischer Natur waren, durfte ich sehr abwechslungsreiche und themenübergreifende Aufgaben übernehmen. So fielen in meinen Aufgabenbereich vor allem Grafikdesign, social media und Recherchearbeit. In der letzten Woche entschieden wir uns dazu, eine Videoreihe zu drehen, die Matthias bei seiner Arbeit im Bundestag begleitet.
Vor allem ermöglichte Matthias mir aber, ihn zu fast all seinen Terminen zu begleiten. Nach den vier Wochen im Bundestag hatte ich mich auch endgültig von dem Begriff des „politischen Alltags“ verabschiedet, da ein tatsächlicher Alltag kaum erkennbar war. Obwohl jede Woche und jeder Tag sorgfältig durchgeplant wurden, gab es immer wieder Überraschungen und es blieb bis zuletzt spannend. Besonders spannend war für mich die letzte Woche: Während wir vor allem mit der Produktion der Videoreihe beschäftigt waren, überraschte mich neben einigen Terminverlegungen vor allem das Urteil des BVerfG zum GEG (Heizungsgesetz). Gegen Ende der Woche wurde dann eine namentliche Abstimmung für ungültig erklärt. Und nachdem die Opposition zu dem Schluss kam, ein Hammelsprung am Tag reiche nicht, starteten einige Abgeordneten dann verfrüht in die wohlverdiente Sommerpause.
Oft sind es aber die kleinen Dinge… so werde ich mich beispielsweise immer mit einem sanften Lächeln daran erinnern, wie Beatrix von Storch vom freundlichen Personal des Bundestages von der Besuchertribüne entfernt wurde, weil sie dort stand, anstatt zu sitzen.
Wer sich für Bundespolitik interessiert, kommt hier voll auf seine Kosten. Doch auch linguistisches Interesse kann bedient werden. Wo sonst trifft man auf Wortkreationen wie das Bundesschienenwegeausbaugesetz. Und selbst wenn man am Anfang nur ‚Bahnhof‘ versteht, hat man bei Matthias die Gelegenheit, sein Verständnis der Deutschen Verkehrsinfrastruktur sowie der Arbeit als Abgeordneter und der politischen Abläufe im Allgemeinen zu vertiefen, was nicht zuletzt an seinem freundlichen und zuvorkommenden Team liegt. Nach nur wenigen Wochen hatte ich bereits eine gute Vorstellung davon, was parlamentarische Arbeit bedeutet. Und was bedeutet parlamentarische Arbeit?
Parlamentarische Arbeit bedeutet, auch der letzten Sitzung der Woche aufmerksam zu folgen. Parlamentarische Arbeit bedeutet, trotz des überfüllten Kalenders den Überblick über Arbeitsgruppen, Fachbereichs- und Fraktionssitzungen, Ausschüsse und Gespräche zu behalten. Parlamentarische Arbeit bedeutet, jeden Tag von Neuem Debatten zu führen und Kompromisse zu suchen. Gute parlamentarische Arbeit bedeutet, auch für neue, unbequeme Wege einzustehen, wenn es die Umstände erfordern. Gute parlamentarische Arbeit bedeutet, sachlich zu bleiben, auch wenn sich die Debatte längst von jeder Sachlichkeit entfernt hat. Gute parlamentarische Arbeit bedeutet, die eigene Popularität niemals über Inhalte zu stellen und sich nicht vom rauer werdenden Ton anstecken zu lassen. Und obwohl unser Land sehr viele gute Politiker hat, sind gute Parlamentarier selten geworden. Umso dankbarer bin ich, mit Matthias einen von ihnen gefunden zu haben.
Hier ist das Video zu finden, das Einblicke in meine Sitzungswoche und die parlamentarische Arbeit gewährt: https://www.youtube.com/watch?v=PrNiHctMhKk